Paris. "Den Ramadan da unten verbringen? Um keinen Preis!" Hayet hat in diesem Jahr den Urlaub in Marokko, wo ihre Familie lebt, verkürzt. Pünktlich zum gestrigen Beginn des islamischen Fastenmonats ist sie in ihre zweite Heimat Frankreich zurückgekommen. Bei den heißen Temperaturen in Nordafrika sei es unerträglich, tagsüber nichts zu essen und zu trinken, sagt die junge Frau. Die Arbeit lenke sie von Hunger und Durst ab.
Viele fromme Muslime tun es ihr gleich: Die Fluggesellschaften verzeichnen eine für diese Zeit ungewöhnliche Nachfrage aus dem Maghreb nach Frankreich. Fünf bis sechs Millionen Muslime, mehr als in jedem anderen europäischen Land, leben hier. Weil der Ramadan diesmal in den Hochsommer fällt, holen manche ihre Verwandten aus der Hitze nach Frankreich. Denn der Ramadan ist auch ein Familienfest, das sich beileibe nicht auf das Fasten beschränkt. Nach Sonnenuntergang versammelt man sich gemeinsam zum üppigen Fastenbrechen.
Gerade bei jüngeren Generationen, die oft in Frankreich geboren sind, erlebt der traditionelle Ritus einen Boom. 70 Prozent auch der jungen Muslime fasten in Frankreich, zehn Prozent mehr als vor 20 Jahren. Die scharfen Töne, die die aktuelle Regierung gegen Einwanderer anschlägt, bestärkten sie Beobachtern zufolge. So nennt der Vorsitzende des Muslimrats, Mohammed Moussaoui, die Rückkehr zur Spiritualität ein "in Krisenzeiten bekanntes Phänomen". Der Religionswissenschaftler Franck Fregosi sieht weniger eine religiöse, sondern eine identitätsstiftende Motivation dahinter.
Obwohl seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland, bleibt das laizistische Frankreich, das Religion und Staat strikt trennt, unsicher im Umgang mit dem Islam, seiner zweitgrößten Religion. Beleg dafür sind die Diskussion um ein Burka-Verbot und die verkorkste Debatte über die "nationale Identität", die die Regierung vor einigen Monaten verordnete. Ein Testlauf der Fast-Food-Kette Quick, die in acht Restaurants nur noch Burger ohne Schweinefleisch verkaufte, führte zu einem Aufstand einiger Politiker. Da der Versuch überaus erfolgreich war, will Quick das Angebot auf 14 weitere Geschäfte ausweiten.
Während sich die französische Gesellschaft mit der Einbeziehung der Muslime noch schwertut, hat die Wirtschaft ein riesiges Potenzial für den Verkauf von Halal-Fleisch, das nach dem islamischen Reinheitsgebot hergestellt wird, erkannt. Der Halal-Markt wächst jährlich um 15 Prozent, das Umsatzvolumen wird für 2010 auf 5,5 Milliarden Euro geschätzt.
Zum Ramadan in die zweite Heimat
Zum Ramadan in die zweite Heimat
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