Mechthild hat geschrieben:Tja, das ist eben die Globalisierung. Es gibt einfach keine Reservate mehr, in die sich die Liebhaber eines geschlossenen Weltbildes zurückziehen können. Wer nun aber die Kommerzialisierung seiner religiösen Feste verabscheut, muss sich ihre wirkliche Bedeutung noch einmal klar vor Augen führen und sie bewusst entsprechend gestalten. Das erfordert schon einen gewissen Hang zum Individualismus, der in manchen Weltgegenden halt nicht gerne gesehen wird.
Äh, was genau meinst Du jetzt damit?
Gerade gestern hab ich ziemlich viel über das Weihnachtsfest gelesen: wie im Mittelalter schon gegen die heidnischen Bräuche der "grünen Zweige" von Seiten der Kirche gewettert wurde, wie Weihnachten dann durch Weihnachtsbaum und Nürnberger Spielzeug und neue Kirchenlieder aufgepeppt wurde - Weihnachten zwischen Kunst und Kommerz ist ein Thema, das in Europa die Leute schon seit dem 14. Jahrhundert bewegt!
Dabei ist es das erstarkende Bürgertum, natürlich nicht Kirche und Klerus, die für eine Individualisierung des Festes alles in die Wege leiten. Und es ist ein persönlich gefärbtes Herz-Jesu-Christentum, das - zum Beispiel durch die Visionen Birgitta von Schwedens - zu solchen "Kitschbildern" wie dem Jesuskind als Lichtquelle in der Kunst führt.
Der Islam macht jetzt auch seine Erfahrungen mit Kommerz und Globalisierung, weil das zum ersten Mal möglich ist. Vielleicht wird es nicht 700 Jahre dauern, bevor sich auch der einfach Gläubige darüber Gedanken macht, wie er das Fest "persönlich" gestalten will - aber etwas länger wird es schon dauern als eine oder zwei Generationen.
Ich selbst fand die Fernsehrituale meiner Familie im Ramadan - morgens zum Frühstück alte ägyptische Kommödien - eigentlich sehr schön, familiär und lustig.
Mein Mann und meine Schwiegermutter waren leider auch süchtig nach den Ramadanseifenopern, aber die anderen in der Familie haben echt schöne Sachen gemacht.
Mein Schwiegervater hat zum Beispiel immer Nüsse, Aprikosen oder den Joghurt für morgens mitgebracht. Die anderen Familienmitglieder kamen zu Besuch, und es wurde ausgiebig geplaudert. Abends wurde dann oft noch auf Shopping-Tour gegangen.
Ich hab mit meiner Tochter Kerzenhalter gebastelt, das fanden sie auch schön. Mehr brauchte es auch gar nicht.
Mir hat eher der Rest von Ramadan nicht gefallen, wenn das ganze Land quasi zum Erliegen kommt, viele aggressiv oder unfähig zu arbeiten sind, alles besonders dreckig und es kaum einen Ort gibt, an dem man sich als Nichtfastender aufhalten kann.
LG
Vera
(die gleich drei Jahre schwanger und stillend in Ägypten Ramadan verlebt hat...)