Jüngster Tag: das eigene Kind hergeben, um sich zu retten

[Beate]

Salam,


ich habe die folgenden Verse

Sure 70
11 werden sie in Sichtweite zueinander gebracht werden, und der Schuldige würde sich wohl (gern) loskaufen von der Strafe jenes Tages mit seinen Kindern

12 und seiner Frau und seinem Bruder

13 und seiner Verwandtschaft, die ihn beherbergt hat,

14 und allen, die insgesamt auf Erden sind, wenn es ihn nur retten könnte.

früher immer so verstanden, dass die Schrecken der Hölle so schlimm sind, dass jeder in dem Moment alles hergeben würde, selbst sein eigenes Kind, um sich selbst zu retten.
Mittlerweile sehe ich es anders und denke, dass die Menschen deshalb in die Hölle gehen, weil sie bereit sind, ihr Kind zu opfern, um sich selbst zu retten. Weil sie sich nie ihren eigenen Fehlern gestellt haben, weil sie schon zu Lebzeiten ihre Kinder geopfert hätten, wenn es notwendig gewesen wäre, weil sie immer nur sich selbst zum Mittelpunkt ihres Daseins gemacht haben und nie daran gedacht haben, was die anderen empfinden, wie ihre Handlungen auf andere wirken.
Weil sie skrupellos sind und andere für ihre eigenen Fehler bezahlen lassen.

Wie versteht ihr diese Verse?

Salam Beate

[nurhrii]

Ich denke irgendwie gerade jetzt automatisch an das Opferfest und die Symbolik dahinter.

Abraham hat ja auch seinen Sohn Isaac opfern wollen, um die Gnade und das Wohlwollen Gottes zu erlangen. Und Gott hat Gnade walten lassen und ihn davon abgehalten, weil Er gesehen hat, wie stark sein Glaube ist, und deshalb haben dann Vater und Sohn ein Tier geopfert, um trotzdem ihre Ehrfurcht vor Gott und generell ihren Glauben mit diesem Opfer zu untermauern.

[Beate]

Salam nurhii,

ja, aber die Sünder wollen ja ihre Kinder nur aus dem einen Grund opfern, um ihre eigene Haut zu retten.
Da steckt ja eine ganz andere Motivation dahinter.
Salam

[Rabia]

Salam alaikum, Beate!
Ich denke, dass sich die Verse sowohl auf die Schrecken des Augenblicks der Konfrontation mit den eigenen Vergehen und Sünden beziehen, von denen sich der Schuldige gerne mit allem, sowohl dem was er/sie liebt, als auch mit Hilfe und unter Opferung derer, die ihn lieben/liebten loskaufen möchte, als aber auch darauf, dass diese Menschen bereits zu Lebzeiten niemals Rücksicht auf jene genommen haben, für die sie Verantwortung hatten und darauf, dass sie die Güte derjenigen, die ihnen Gutes taten, nicht zu würdigen wussten.
Außerdem denke ich schon, dass es uns allen vor Augen führen soll, dass die Auswegslosigkeit dieser Konfrontation eben so stark und überwältigend sein wird, dass selbst Kinder, Ehepartner und Verwandte für uns keine Bedeutung mehr haben werden und uns in diesem Augenblick auch nicht mehr nahe stehen werden. Die Bande der Liebe werden in dieser Stunde nicht existent sein und wir werden sagen "Hier, nimm alles, aber strafe mich nicht so hart!" Es wird aber nichts nützen, weil jeder für sich selber stehen wird.
Diese Verse sind wohl außerdem eine Warnung. Statt unser Herz an die Glücksgüter dieser Welt zu hängen (und um sie zu halten auch Sünden anzuhäufen), sollen wir lieber Gutes tun und ein Gott gefälliges Leben führen.
Wasalam

[nurhrii]

Salam nurhii,

ja, aber die Sünder wollen ja ihre Kinder nur aus dem einen Grund opfern, um ihre eigene Haut zu retten.
Da steckt ja eine ganz andere Motivation dahinter.
Salam

Stimmt auch. Es war mir nur spontan durch den Kopf gegangen und ich hatte nicht unbedingt weitergedacht.
Aber Abraham sollte ja auch auf diese Weise seine Loyalität gegenüber Gott beweisen. Hat zwar wenig damit zu tun, daß so mancher sein Kind opfert um sich selbst zu retten, was ich persönlich furchtbar finde, da ich eher mein Kind retten wollen würde, bevor ich mich selber rette. Und wenn ich dabei drauf gehe, dann ist mein Kind zumindest in Sicherheit.

[Beate]

Salam,

was ich persönlich furchtbar finde, da ich eher mein Kind retten wollen würde, bevor ich mich selber rette. Und wenn ich dabei drauf gehe, dann ist mein Kind zumindest in Sicherheit.

Genau darum geht es mir. Die Gläubigen würden wahrscheinlich lieber selbst in die Hölle gehen, als dass ein anderer Unschuldiger, vielleicht sogar ihr eigenes Kind hinein muss.

Und aber genau deswegen gehen sie ein ins Paradies.
So verstehe ich den Vers mittlerweile.
Salam

[Rabia]

Salam alaikum!
Aber soll uns dieser Vers nicht auch vor Augen führen, dass Ablasshandel vor Allahs (swt) Thron nicht funktioniert?
Der Qur'an spicht doch auch an anderer Stelle davon, dass der Tag kommen wird, an dem der Vater dem Sohn nicht helfen kann........und an dem aller Reichtum nutzlos sein wird.......-
Wir Menschen neigen doch zu Tauschgeschäften. Und dazu uns durch das Anhäufen irdischer Güter sicher zu fühlen. Soll uns dieser Vers nicht auch zeigen, dass materielle Güter und menschliche Beziehungen in der immateriellen Welt keine Bedeutung mehr haben werden?
Wasalam

[Elisabeth]

Aber Abraham sollte ja auch auf diese Weise seine Loyalität gegenüber Gott beweisen. Hat zwar wenig damit zu tun, daß so mancher sein Kind opfert um sich selbst zu retten, was ich persönlich furchtbar finde, da ich eher mein Kind retten wollen würde, bevor ich mich selber rette. Und wenn ich dabei drauf gehe, dann ist mein Kind zumindest in Sicherheit.

Salam,
ich glaube jeder halbwegs denkende Mensch würde das so sehen.

Allerdings kann es durchaus sein, dass man in einer ganz konkreten Gefahrensituation, instinktiv nur sich selbst rettet!
Ich habe von fürsorglichen Müttern gehört, die während eines Erdbebens einfach losgerannt sind, um sich in Sicherheit zu bringen und erst später bemerkt hatten, dass sie ihr Kleinkind nicht mitgenommen hatten.


Salam
Elisabeth