Sure 5 Vers 101

Hier werden bestimmte Verse im Qur'an diskutiert. Neben konventionellem Tafsir sind eigene Gedanken dazu sehr erwünscht. (für Gäste lesbar)
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adaia

Sure 5 Vers 101

Beitrag von adaia »

Salam,
101. O ihr, die ihr glaubt! Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch
enthüllt würden, euch unangenehm wären; und wenn ihr danach zur
Zeit fragt, da der Quran niedergesandt wird, werden sie euch doch
klar. Allah hat euch davon entbunden; und Allah ist Allverzeihend,
Nachsichtig.
(Übersetzung aus dem Internet, komme bis Ende der Woche nicht an meinen Privat-PC)

Was bedeutet dieser Vers?

Bei der Suche nach der Bedeutung bin ich auf verschiedene Interpretationen gestoßen:
- Fußnote meines dt. Korans (Max Henning): Vers 101 warnt davor, das Leben der Muslime durch Erfragen immer weiterer normativer Einzelheiten - auch in der Jurispudenz - einzuengen
- Alles, was wir im Koran nicht finden können, gibt uns die Freiheit, vernunftgemäß selbst zu entscheiden (5:101) (Al-rahman)
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Hayat_Intisar
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Hayat_Intisar »

So habe ich das auch immer verstanden.
Dass wir nicht immer mehr fragen und fragen sollen, ist das erlaubt, und ist das erlaubt? Da gibt es im Quran doch auch das Beispiel vom Volk Mose. Als der Befehl kam eine Kuh zu schlachten. Und anstatt, dass sie einfach eine Kuh genommen haben, haben sie es sich durch wiederholtes Nachfragen immer komplizierter gemacht.
In diesem Kontext sehe ich diese Verse.

Aber natürlich könnte der Vers auch noch andere Bedeutungsebenen haben, wie so oft im Quran.
Ich sehe darin zum Beispiel auch den Hinweis, dass man gewisse Dinge auf sich zukommen lassen sollte, nicht versuchen sollte, sie zu erzwingen, weil einem dann etwas "offenbar" wird womit man vielleicht (noch) gar nicht umgehen kann.
adaia

Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von adaia »

Hayat_Intisar hat geschrieben:Ich sehe darin zum Beispiel auch den Hinweis, dass man gewisse Dinge auf sich zukommen lassen sollte, nicht versuchen sollte, sie zu erzwingen, weil einem dann etwas "offenbar" wird womit man vielleicht (noch) gar nicht umgehen kann.
Das ist auch ein schöner Gedanke zu dieser Aya.
Die beiden Bedeutungen, die ich gefunden habe, fand ich auch plausibel, aber eine Frage blieb bei mir offen:
Was bedeutet es, wenn Gott sagt, dass die Dinge, nach denen man nicht fragen soll, einem klar werden, wenn der Koran offenbart wurde?
Bezieht sich dadurch diese Aya nur auf vergangene Zeiten (was ich mir so gar nicht vorstellen kann, da der Koran immer und überall gültig ist) oder bedeutet es, dass im Koran alles steht, wonach man fragen soll und wenn es nicht drinsteht, dann ist es auch Absicht, um es so den Menschen selbst zu überlassen, wie er mit diesen Fragen umgehen soll?
Arife
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Arife »

Für mich bedeutet dieser Vers eine kleine Schlupflücke :lol:
Nicht bei allem immer so penibel nachfragen, z.B. ob Nagellack nun erlaubt sei oder nicht. Das macht alles nur kompliziert, wenn man nicht so nachbort bekommt man mehr Freiheit, die einem der Koran gewährt.
Murat W. Hofmann interpretiert es auch so.

Hofmann, Murat W.: Der Islam im 3. Jahrtausend: eine Religion im Aufbruch.
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Beate »

Salam,

kleiner Nachtrag:
Ibn Kathir zufolge wurde der Prophet, wenn er irgendwo auftrat und predigte, mit Fragen bestürmt. Stellenweise waren die Fragen schlicht und ergreifend dümmlich (einer fragte den Propheten z.B. wer sein Vater sei), stellenweise stellten sie einfach nur eine Provokation dar.
Das heißt, manche Leute stellten absichtlich blöde Fragen, um den Propheten zu provozieren.
Daraufhin wurde dieser Vers offenbart.

Bei Ibn Kathir steht auch, dass viele Fragen sich im Laufe der Zeit selbst beantworteten, weil entsprechende Verse offenbart wurden. Die Leute sollten sich also in Geduld üben. Gott würde zum richtigen Moment schon die entsprechende Antwort geben.

Salam
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Musafira »

Es werden ja auch heutzutage viele dumme Fragen gestellt. Eigentlich sollten doch dann die Gelehrten, wenn sie koranisch handeln wuerden, auf eine dumme Frage nicht eine noch duemmere Fatwa geben, sondern nach Sunna eben keine Antwort geben, damit nicht etwas verboten wird, was sonst erlaubt gewesen waere. :?
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
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Hayat_Intisar
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Hayat_Intisar »

Ja, aber man kommt sich ja so wichtig vor als Gelehrter, wenn man gefragt wird. :mrgreen:

Im Ernst, natürlich wäre es vielleicht angebrachter, wenn Gelehrte auch mal nett und freundlich bei bestimmten Fragen dem Fragenden antworten würden: "Warum willst du es dir schwerer machen, als nötig? Es gibt Dinge, über die der Islam einfach schweigt."
Oder darlegt, warum dies eine Sache ist, die keiner Regelung bedarf.

Vielleicht sind es Ängste, dass dann jeder tut was ihm gefällt, keiner mehr den Rat von Gelehrten erbittet.
Ich jedoch könnte sie wesentlich ernster nehmen, wenn sie so handeln würden, dass sie für eine zunehmende Selbständigkeit der "einfachen" Gläubigen sorgen. Wenn sie im Gläubigen durch ihre Worte und ihr Vorbild einfach für eine Entwicklung ethischer Werte fördern.
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Musafira
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Re: Sure 5 Vers 101

Beitrag von Musafira »

Oh ja, da kann ich nur unterschreiben. Aber es gibt diesen Gelehrten natuerlich auch ein Gefuehl von Macht, wenn sie merken, die Leute koennen nicht ohne sie. Ich finde auch, dass sie Fatwa-Antworten eigentlich in dem Sinne geben, in dem sie die ethischen Grundwerte darlegen, aber kein Ergebnis geben, sondern den Frager nur in diese Richtung stupsen. DAS waere verantwortungsvoller Umgang mit ihrer Macht.
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
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