2:216

Hier werden bestimmte Verse im Qur'an diskutiert. Neben konventionellem Tafsir sind eigene Gedanken dazu sehr erwünscht. (für Gäste lesbar)
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Maymuna
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2:216

Beitrag von Maymuna »

Irgendwie konnte ich mit der Suchfunktion noch nichts zu diesem Vers finden.
Ich hätte gerne mal eure Meinungen:
Zu kämpfen ist euch vorgeschrieben, auch wenn es euch widerwärtig ist. Doch es mag sein, daß euch etwas widerwärtig ist, was gut für euch ist, und es mag sein, daß euch etwas lieb ist, was übel für euch ist. Und Allah weiß es, doch ihr wisset es nicht.
(Ich habe mal schnell die Übersetzung von islam.de genommen.)

Ich kann irgendwie aus dem Vers nicht so ganz rauslesen, dass man bestimmte Dinge auch friedlich lösen darf. Ich finde die Aussage irgendwie so hart.. selbst wenn es sich nur um Verteidigungskriege handeln sollte..
peaceful

Re: 2:216

Beitrag von peaceful »

Hallo und selam ...
nunja, 2:216 kann schon kritisch gelesen werden, 2:217 finde ich persönlich aber eigentlich noch "kritischer", aber egal.

Ich biete mal eine alternative Übersetzung an, vielleicht verschafft die Klarheit:
Euch ist vorgeschrieben zu kämpfen (um den Glauben zu verteidigen und das Leben zu schützen), obwohl ihr den Kampf haßt. Es kann sein, daß man etwas haßt, was einem nützt oder etwas liebt, was einem schadet. Gott allein weiß alles, und ihr wißt nichts.
(Azhar)

Und ein bisschen Tafsir, aus dem Forum für Koran-Studierende:
436. Krieg ist, wie es richtig heißt, ein Naturgesetz. Im Islam, der eine praktische Religion ist, ist er erlaubt, doch nur in Fällen, wo es unumgänglich nötig ist. Verfolgt. bedrängt, in Armut lebend, aus ihrer Heimatstadt vertrieben und nur gering an der Zahl wie die Muslime zu der Zeit waren, als diese Aufforderung zum Kampf erging, war es nur natürlich, dass sie nicht gerade darauf erpicht waren, ihr Schwert mit den mächtigen Widersachern zu kreuzen, die nur danach trachteten, sie zu vernichten. Da vermochte nur ein ausdrücklicher Befehl Allahs sie auf das Schlachtfeld zu rufen. (Darjabadi)
437. Im Leben eines jeden Menschen gibt es Verhasste Dinge, von denen er später feststellt, dass sie ihm doch Gutes gebracht haben. Auch findet er dass manche scheinbaren Annehmlichkeiten ihm in Wirklichkeit Böses beschert haben. Es gibt viele Wünsche. denen man nachtrauert, wenn sie nicht in Erfüllung gehen, obwohl sich später gerade deren Nichterfüllung als Rettung Allahs erweist. Und es gibt zahllose Heimsuchungen, die einem arg zusetzen, die sich jedoch schließlich als Glück bringend herausstellten. Der Mensch sollte sich also Allah anvertrauen. Der, der Alleinwissende ist. (Qutb)
438. Das bedeutet. dass unsere eigene Vorliebe oder Abneigung unwichtig ist, weil wir unfähig sind, die geistigen und moralischen Aspekte von Dingen und Vorgängen richtig zu beurteilen und einzuordnen. Dieser Aja erinnert uns daran, dass der Mensch mit seinem begrenzten Einsichtsvermögen nicht in vollem Umfang die Weisheit erfassen kann, die den Geboten Allahs zugrunde liegt. Darum ist er auf prophetische Offenbarungen zu seiner Rechtleitung angewiesen. (Siddiqi)
Vielleicht hilft Dir das weiter ...
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Beate
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Re: 2:216

Beitrag von Beate »

Salam,

ich verstehe den Vers so, dass man dann zur Gewalt greifen soll, wenn alle anderen Mittel versagt haben.
Gewalt als ultimatives Mittel, um Gewalt zu stoppen. Vorher sollten alle anderen Wege, um den Frieden wieder herzustellen, erschöpft werden.
Wenn das aber alles nichts bringt, und man es mit einem Feind zu tun hat, der auf nichts reagiert, dann muss man notfalls Gegengewalt anwenden, um andere Menschen zu schützen.
So verstehe ich diesen Vers.

Salam
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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Re: 2:216

Beitrag von Maymuna »

436. Krieg ist, wie es richtig heißt, ein Naturgesetz. Im Islam, der eine praktische Religion ist, ist er erlaubt, doch nur in Fällen, wo es unumgänglich nötig ist. Verfolgt. bedrängt, in Armut lebend, aus ihrer Heimatstadt vertrieben und nur gering an der Zahl wie die Muslime zu der Zeit waren, als diese Aufforderung zum Kampf erging, war es nur natürlich, dass sie nicht gerade darauf erpicht waren, ihr Schwert mit den mächtigen Widersachern zu kreuzen, die nur danach trachteten, sie zu vernichten. Da vermochte nur ein ausdrücklicher Befehl Allahs sie auf das Schlachtfeld zu rufen. (Darjabadi)
Also doch nur im äußersten Notfall, so wie es auch Beate sieht.. damit kann ich leben.
Ich habe ja den Kommentar von 'Abdullah Yusuf 'Ali, allerdings leider eine Version, in der die Saudis schon mal herumgepfuscht haben. :boese:
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Re: 2:216

Beitrag von Arife »

Salam,
ich verstehe unter "Zu kämpfen ist euch vorgeschrieben," gar nicht mal unbedingt nur die Waffengewalt. Man kann auch dafür Kämpfen weiter zu bestehen oder anerkannt zu werden, ohne den anderen eins auf die Mütze zu hauen (mit Durchhaltevermögen, Wissen, Argumenten...).

Aber das sind nur meinen persönlichen Gedanken.
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Re: 2:216

Beitrag von Hayat_Intisar »

Da hast du Recht "kämpfen" kann man auch in einem anderen Kontext verstehen. Ich denke, man übersieht das halt manchmal, weil der entsprechende Vers schon auf bestimmte historische Gegebenheiten Bezug nimmt.
Nur, dass ja viele Verse mehrdeutig sind, einfach verschiedene Ebenen ansprechen. :)

Als erstes zeigt für mich dieser Vers, dass die damaligen Muslime offensichtlich alles andere als kriegslüstern waren, denn es wird ja darauf eingegangen, dass es ihnen widerwärtig ist. Was ich persönlich für einen positiven Charakterzug halte. Und wenn ich so an manche medialen Bilder denke, in denen es darum geht, dass man schon Kindern beibringt, wie toll es doch ist eine Waffe zu haben, wie toll das Kämpfen ist, so zeigt dieser Vers, dass es so auch nicht erwünscht sein kann. Kämpfen aufeinmal als etwas erstrebenswertes, tolles anzusehen.
Ich kann aus diesem Vers nämlich auch nicht herauslesen, dass man es schön finden soll. Sondern einfach akzeptieren soll, dass es auch Situationen geben kann, wo einem nichts anderes übrig bleibt. Und dass man manchmal etwas tun muss, dass einem schwer fällt, für das man Abscheu empfindet.
Ja, der Islam ist keine pazifistische Religion in dem Sinne, dass man auf keinen Fall kämpfen darf, töten darf. Das heißt aber nicht, dass der Kampf als das erste Mittel der Wahl gelten sollte.
Und wenn ich mir die islamische Geschichte anschaue, dann war es auch nicht das erste Mittel, zu dem gegriffen wurde.
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Beate
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Re: 2:216

Beitrag von Beate »

Salam Maymuna,

man sollte den Vers auch nicht losgelöst von den anderen Versen über das Kämpfen sehen.
Es ist ein Vers von vielen und er sagt nichts anderes aus, als dass es in manchen extremen Fällen einfach nicht anders geht, als dass man zu den Waffen greift.
Diese extremen Fälle werden aber durch andere Verse definiert:
das Kämpfen ist nur dann erlaubt, wenn man unmittelbar an Leib und Leben bedroht ist, wenn alle anderen Mittel versagt haben (der Prophet hat ja immer wieder Friedensverträge geschlossen mit seinen Gegnern) und wenn andere wehrlose Menschen bedroht sind wie Kinder und alte Leute und Frauen.
Es sollen nur die Angreifer bekämpft werden und auch nur bis zu dem Moment, wo sie aufgeben. Ziel des Kämpfen ist die Beendigung aller Kampfeshandlungen und die Wiederherstellung des Friedens. Man soll also nicht kämpfen, um Beute zu machen (das wäre dann kein selbstloses Tun).
Die Kämpfe begannen ja recht spät. Vorher haben die Muslime immer nachgegeben und sind entweder in die Wüste gegangen oder nach Äthiopien ausgewandert. Als klar wurde, dass die Mekkaner auch dann keine Ruhe ließen, kam der Befehl zur Verteidigung.

Wie lautet der Spruch so schön:
Wenn die Klügeren immer nachgeben, herrschen irgendwann die Dummen.

Salam
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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Re: 2:216

Beitrag von Maymuna »

Hayat_Intisar hat geschrieben: Ich kann aus diesem Vers nämlich auch nicht herauslesen, dass man es schön finden soll. Sondern einfach akzeptieren soll, dass es auch Situationen geben kann, wo einem nichts anderes übrig bleibt. Und dass man manchmal etwas tun muss, dass einem schwer fällt, für das man Abscheu empfindet.
Das ist ein wichtiger Punkt, danke!
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