Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Was Überraschendes herausgefunden? Ist der Islam doch anders, als Du denkst? (für Gäste lesbar.)
Hiyam
Admin in Pause
Admin in Pause
Beiträge: 4521
Registriert: Di 21. Apr 2009, 15:47
Wohnort: an der Adria :-)

Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von Hiyam » Mi 17. Jun 2009, 15:44

flora hat geschrieben: Das Bewußtsein für Umweltfragen, für Solidarität untereinander, Perspektiven für die Jugend zu bieten all das ist so extrem niedrig und kommt auch von dieser Verneinenden Haltung.
Salam Flora,

ich habe bisher immer erzählt bekommen dass in muslimischen Länder der Zusammenhalt so groß wäre (na gut mir fallen hierzu auch etliche nichtmuslimische Beweggründe ein), Stichwort Solidarität, daher bin ich überrascht, daß Du es nicht so erlebst.


LG
Hiyam
malaika

Re: Was lest Ihr gerade?

Beitrag von malaika » Mi 17. Jun 2009, 16:20

Hiyam hat geschrieben: ich habe bisher immer erzählt bekommen dass in muslimischen Länder der Zusammenhalt so groß wäre
Jaja. Und in den Familien haben sich auch alle immer ganz lieb. :roll:
Benutzeravatar
Musafira
Administratorin
Administratorin
Beiträge: 9215
Registriert: Do 15. Mai 2003, 17:34
Wohnort: Jenseits von Afrika

Re: Was lest Ihr gerade?

Beitrag von Musafira » Do 18. Jun 2009, 02:55

Hiyam hat geschrieben:
flora hat geschrieben: Das Bewußtsein für Umweltfragen, für Solidarität untereinander, Perspektiven für die Jugend zu bieten all das ist so extrem niedrig und kommt auch von dieser Verneinenden Haltung.
Salam Flora,

ich habe bisher immer erzählt bekommen dass in muslimischen Länder der Zusammenhalt so groß wäre (na gut mir fallen hierzu auch etliche nichtmuslimische Beweggründe ein), Stichwort Solidarität, daher bin ich überrascht, daß Du es nicht so erlebst.


LG
Hiyam
Hm, dieser Zusammenhalt ist ein Mythos und am Anfang laesst man sich leicht davon blenden. :? Ich habe mit der Zeit festgestellt, dass diese Gesellschaften oft viel materialistischer sind als der staendig so als materialistisch kritisierte Westen. Leider stellt man z.B. fest dass all die Freundlichkeit und scheinbare Hilfsbereitschaft nicht uneigennuetzig ist - man erwartet irgendwann eine Gegenleistung. Eine Hand waescht die andere - aber wehe, du leistet irgendwann nicht die Gegenleistung, die von dir erwartet wird, dann wirst du fallen gelassen. :?
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
Benutzeravatar
masalim
Admin in Pause
Admin in Pause
Beiträge: 2365
Registriert: Mi 22. Sep 2004, 12:18

Re: Was lest Ihr gerade?

Beitrag von masalim » Do 18. Jun 2009, 09:09

malaika hat geschrieben:
Hiyam hat geschrieben: ich habe bisher immer erzählt bekommen dass in muslimischen Länder der Zusammenhalt so groß wäre
Jaja. Und in den Familien haben sich auch alle immer ganz lieb. :roll:
:lol:

Zumindest, solange jeder spurt und nicht mal jemand eine andere Meinung hat. Oder überhaupt eine Meinung... :?
Technology is great - Pencils are better!
Hiyam
Admin in Pause
Admin in Pause
Beiträge: 4521
Registriert: Di 21. Apr 2009, 15:47
Wohnort: an der Adria :-)

Re: Was lest Ihr gerade?

Beitrag von Hiyam » Do 18. Jun 2009, 09:25

Danke für Eure Ausführungen, das ist ein interessantes Thema (für mich).

Und jetzt bin ich wieder eine Illusion ärmer geworden :roll:

LG
Hiyam
Benutzeravatar
flora
Forums-Mufti
Forums-Mufti
Beiträge: 1009
Registriert: Di 27. Jan 2004, 19:24
Wohnort: Algerien

Re: Was lest Ihr gerade?

Beitrag von flora » Do 18. Jun 2009, 12:55

Salam,

also Zusammenhalt und Solidarität entsteht ja auch oft durch materiellen Mangel und das ist dann woüberall gleich,so glaube ich.
Zum Beispiel hier auf dem Land hat nicht jeder ein Auto, der der eins hat, fährt nach natürlich den Nachbarn ins Krankenhaus, wenn sein Baby nachst hoch fiebert oder ein Bauer vom Baum fällt. Das ist meiner Erfahrung aber überall so, Bauern in allen Ländern der welt verleihen sich Maschinen, helfen wenn Not am Mann ist etc.
In der DDR hat man sich auch selbstverständlich beim Nachbarn anrufen lassen, wenn man kein eigenes Telefon hatte oder der grosse Einmachtopf machte die Runde, damit jede Familie einkochte, was die Laube hergab.
In dem Mietshaus in D , wo ich lebte, lieh man sich auch Eier oder eine Liter Milch oder verschenkte Kuchen und das waren alles Urdeutsche.
Die Anonymität des Stadtlebens macht den Menschen leichter unsolidarisch, aber das muss auch nicht sein. Ich glaube wenn die Menschen in D ärmer werden, haben sie auch die Chance wieder mehr zu teilen, die Nachbarskinder mit ins Freibad nehmen, die Kinderkleidung der Nachbarin zu schenken, beim grillen einfach mal den Nachbarn einladen etc.
In Deutschland ist auch nicht so leicht Almosen zu geben, Arme zu speisen wie hier...aber Hartherzige Menschen gibt es überall und vor denen die nur ihr Geld zählen warnt ja schon der Koran...Wir sind aufgerufen anders zu sein...inshallah.
NourElShams85

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von NourElShams85 » Di 23. Jun 2009, 14:46

in meiner ehemaligen hausgemeinschaft (kleinstadt, alles künstler, wie meine familie auch) ging es auch so nett zu. hach war das schön. da hat man auch gern mal was vom kuchen abgegeben, der nachbar hat kirschen aus dem garten mitgebracht, man hat zusammen gegrillt, etc. nun bin ich ja in der großstadt und ich kenne nichtmal alle nachbarn. da geht es recht anonym zu. schade :(
Hiyam
Admin in Pause
Admin in Pause
Beiträge: 4521
Registriert: Di 21. Apr 2009, 15:47
Wohnort: an der Adria :-)

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von Hiyam » Mi 5. Aug 2009, 21:11

Salam,

ich habe in einem Beitrag von Saeda erneut über diesen "Mythos" gelesen, und ist mir eingefallen, das Thema hatten wir schon angeschnitten. Ich will ihren Beitrag nicht durcheinanderbringen, daher dachte ich könnten wir hier weitermachen?

Wie zitiere ich aus einem anderen Thread?
Ich meine diesen Abschnitt, wo steht:

"Ich denke die Beziehungen sind einfach. Und: dass die Familie staendig zusammenhaengt, stimmt auch nicht immer ...
Was ich eher meinte, ist dass es dir hier in Deutschland nicht (oder nur im Ausnahmefall) passieren wuerde, dass sich wildfremde Menschen um Dich kuemmern wenn Du was brauchst (ohne Gegenleistung zu erwarten)."

Es ist schon klar, daß wirtschaftliche Not zur Zusammenhalt zwingt wie Nour schreibt, so kenn ich das auch. Man hilft sich halt gegenseitig, was zwar auch nicht ausschließlich aus Nächstenliebe passiert, sondern aus dem Bewußtsein, morgen könnte ich Nachbars Hilfe brauchen.
Also lassen wir uns blenden und projezieren unsere Wünsche in fremde Kulturen? So wie man früher dachte Orient=Harem=Tausende willige Frauen? Sind wir durch den Individualismus und gesellschaftlichen Veränderungen einfach anfällig (Stichwort Altersarmut, Vereinsamung, die Pflegemisere) und sehnen uns nach der heilen Welt die wir - in dem Fall - in einem muslimischen Land zu finden glauben?


Sorry wenn meine Gedanken etwas konfus sind :D

LG
Hiyam
Benutzeravatar
nurhrii
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 5728
Registriert: Do 3. Apr 2008, 23:55

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von nurhrii » Mi 5. Aug 2009, 21:15

Muslimische oder islamische Länder gibt es sowieso nicht. Höchstens Länder mit muslimischer Mehrheitsgesellschaft. :roll:
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
basima
Strebt nach mehr
Strebt nach mehr
Beiträge: 450
Registriert: Di 3. Mär 2009, 22:39
Wohnort: NRW

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von basima » Mi 5. Aug 2009, 22:25

ich habe bisher immer erzählt bekommen dass in muslimischen Länder der Zusammenhalt so groß wäre (na gut mir fallen hierzu auch etliche nichtmuslimische Beweggründe ein), Stichwort Solidarität, daher bin ich überrascht, daß Du es nicht so erlebst
Ja und der Weihnachtsmann und Osterhase existieren. Wer dir diesen Müll erzählt hat, muss ja in einer Seifenblase leben mit vielen Ilusionen. :smifun:
Bin selber Araberin und weiss was in der Gesellschafft und Familien abgeht. Als ich dein Beitrag gelesen habe, musste ich schmunzeln. ;)
Benutzeravatar
Dua
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 4461
Registriert: So 23. Nov 2008, 11:46
Wohnort: Hamburg

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von Dua » Mi 5. Aug 2009, 22:31

...nach 15 Jahren arabischer :engel_lieb: Großfamilie bin ich auch etwas abgeklärter.So 6 Jahre schwebte ich auf Wolke 7!
Wer die Ärmsten dieser Welt gesehen hat, fühlt sich reich genug, zu helfen. (Albert Schweitzer)
Benutzeravatar
nurhrii
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 5728
Registriert: Do 3. Apr 2008, 23:55

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von nurhrii » Do 6. Aug 2009, 03:59

Dua hat geschrieben:...nach 15 Jahren arabischer :engel_lieb: Großfamilie bin ich auch etwas abgeklärter.So 6 Jahre schwebte ich auf Wolke 7!
Abgeklärter oder aufgeklärter? :smifun:

Aber ich finde es schön, dass Du Dich wohlfühlst. So soll es ja auch sein. :clapp:
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
Benutzeravatar
Dua
Urgestein
Urgestein
Beiträge: 4461
Registriert: So 23. Nov 2008, 11:46
Wohnort: Hamburg

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von Dua » Do 6. Aug 2009, 23:48

Ich meinte,ich sehe jetzt einiges klarer.Viel klarer. ;)
Leider ist das nicht immer so schön,aber auch in einer arabisch muslimischen Großfamilie leben halt viele Menschen mit eigenen Bedürfnissen und so manchen Fehlern zusammen,gelle?
Aber ich habe sie alle sehr gern und fühle mich sehr sehr geborgen.Und so soll es in einer Familie doch sein!
Wer die Ärmsten dieser Welt gesehen hat, fühlt sich reich genug, zu helfen. (Albert Schweitzer)
Benutzeravatar
Musafira
Administratorin
Administratorin
Beiträge: 9215
Registriert: Do 15. Mai 2003, 17:34
Wohnort: Jenseits von Afrika

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von Musafira » Fr 7. Aug 2009, 03:10

Hiyam hat geschrieben:
"Ich denke die Beziehungen sind einfach. Und: dass die Familie staendig zusammenhaengt, stimmt auch nicht immer ...
Was ich eher meinte, ist dass es dir hier in Deutschland nicht (oder nur im Ausnahmefall) passieren wuerde, dass sich wildfremde Menschen um Dich kuemmern wenn Du was brauchst (ohne Gegenleistung zu erwarten)."
Ja, genau, ich habe mit der Zeit auch gelernt, dass sich dort eben keiner "einfach so" um einen kuemmert, sondern immer eine Gegenleistung erwartet. Natuerlich werden dann Geschenke zum Dank zuerst einmal entruestet abgelehnt, aber es ist voellig normal, dass dann jemand vielleicht Monate spaeter mit einer Bitte um Gegenleistung auf einen zukommt - und wenn man diese Bitte ablehnt ist man untendurch.

Ich glaube schon, dass man einerseits Wunschvorstellungen in den Orient hineinintepretiert, aber ich glaube, das ist eher die kleinere Komponente. Es sind eher unterschiedliche Kommunikationsstile. Deutsche meinen was sie sagen. Sie sind "brutally honest"
http://www.spiegel.de/international/0,1 ... 20,00.html
Kein Deutscher wuerde einer anderen Person anbieten, ihn nach Hause zu fahren, wenn es einem gerade nicht passt. In anderen Laendern (uebrigens nicht nur in der arabischen Welt, auch z.B. in Japan) gehoert es zum Ritual, dass wenn jemand, der eigentlich am anderen Ende der Stadt wohnt, einem anbietet nach Hause zu fahren, man erst mal fragt: "Bist du sicher??". "Ja, natuerlich". "Bist du wirklich sicher?" "jajaaaaa". "Oh, das ist furchtbar nett von dir, aber das kann ich doch nicht annehmen". "Aeh, doch, doch, kannst du schon". - "Neeeeeeeeeeein, das kann ich nicht annehmen, das ist zu viel der Ehre fuer mich, das ist ja soooooooo nett, aber neeeeeeeeeeeein, das kann ihc nicht annehmen, aber gerne nehme ich es ein anderes Mal an, jetzt habe ich schon ein Taxi bestellt". - "OK, dann dieses Mal nicht, aber das naechste Mal gibst du mir die Gelegenheit dich nach Hause zu bringen".

Deutsche wuerden sich ueber so ein Angebot gar nicht viele Gedanken machen. Wenn jemand etwas anbietet, dann meint er es so - denkt man.
Ich habe mich einmal mit einer aegyptischen Freundin zerworfen, weil ich sie angeblich zu lange mit meiner Anwesenheit belaestigt habe, obwohl sie - wie sie spater sagte - furchtbar muede war. Tatsache war, ich hatte sie kurz besucht, um ihr etwas zu bringen. Sie bat mich, mich zu setzen. Jedes mal, wenn ich zum gehen ansetzte, sagte sie, ich solle doch noch bleiben, noch einen Tee trinken. Eigentlich wollte ich nach Hause, wollte lernen und blieb, weil ich dachte, ich tue ihr einen Gefallen. Tatsache war, ich dachte "wann kann ich endlich gehen" und sie dachte "wann geht sie endlich". Aber stattdessen sagte sie aus purer arabischer Hoeflichkeit "bleib doch noch". Das war eine Lehre fuer mich: manches ist einfach nur Hoeflichkeit, aber sie meinen es nicht so. Und die Entruestung, wenn man ein Angebot nicht gleich annimmt ist zunaechst nur gespielt. Es gehoert zum Ritual. Da erzaehlte Birtanem mal eine nette Episode, dass jemand, nachdem dieses Ritual wohl zu lange getrieben wurde, und der Betroffene das Angebot tatsaechlich annahm, derjenige dann entsetzt zu seiner Frau sagte "Oh Mann, jetzt muss ich den tatsaechlich zur deutschen Grenze fahren".
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
adaia

Re: Zusammenhalt in muslimischen Gesellschaften

Beitrag von adaia » Fr 7. Aug 2009, 07:33

Musafira hat geschrieben: Ja, genau, ich habe mit der Zeit auch gelernt, dass sich dort eben keiner "einfach so" um einen kuemmert, sondern immer eine Gegenleistung erwartet. Natuerlich werden dann Geschenke zum Dank zuerst einmal entruestet abgelehnt, aber es ist voellig normal, dass dann jemand vielleicht Monate spaeter mit einer Bitte um Gegenleistung auf einen zukommt - und wenn man diese Bitte ablehnt ist man untendurch.
Und diese Gegenleistung wird auch nie vergessen. Mein Mann hat dieses Jahr einer Tante einen Gefallen tun können als Gegenzug zu einem Gefallen, den ihm deren Sohn vor 9 Jahren (!) gemacht hat.
Er war total erleichtert, dass er diese "Schuld" endlich los ist. Mir mutet das immer noch merkwürdig an, gerade in einer Familie, weil ich das ganz anders kenne, aber dort wird tatsächlich alles gegeneinander aufgerechnet.
Antworten