Hiyam hat geschrieben:
"Ich denke die Beziehungen sind einfach. Und: dass die Familie staendig zusammenhaengt, stimmt auch nicht immer ...
Was ich eher meinte, ist dass es dir hier in Deutschland nicht (oder nur im Ausnahmefall) passieren wuerde, dass sich wildfremde Menschen um Dich kuemmern wenn Du was brauchst (ohne Gegenleistung zu erwarten)."
Ja, genau, ich habe mit der Zeit auch gelernt, dass sich dort eben keiner "einfach so" um einen kuemmert, sondern immer eine Gegenleistung erwartet. Natuerlich werden dann Geschenke zum Dank zuerst einmal entruestet abgelehnt, aber es ist voellig normal, dass dann jemand vielleicht Monate spaeter mit einer Bitte um Gegenleistung auf einen zukommt - und wenn man diese Bitte ablehnt ist man untendurch.
Ich glaube schon, dass man einerseits Wunschvorstellungen in den Orient hineinintepretiert, aber ich glaube, das ist eher die kleinere Komponente. Es sind eher unterschiedliche Kommunikationsstile. Deutsche meinen was sie sagen. Sie sind "brutally honest"
http://www.spiegel.de/international/0,1 ... 20,00.html
Kein Deutscher wuerde einer anderen Person anbieten, ihn nach Hause zu fahren, wenn es einem gerade nicht passt. In anderen Laendern (uebrigens nicht nur in der arabischen Welt, auch z.B. in Japan) gehoert es zum Ritual, dass wenn jemand, der eigentlich am anderen Ende der Stadt wohnt, einem anbietet nach Hause zu fahren, man erst mal fragt: "Bist du sicher??". "Ja, natuerlich". "Bist du wirklich sicher?" "jajaaaaa". "Oh, das ist furchtbar nett von dir, aber das kann ich doch nicht annehmen". "Aeh, doch, doch, kannst du schon". - "Neeeeeeeeeeein, das kann ich nicht annehmen, das ist zu viel der Ehre fuer mich, das ist ja soooooooo nett, aber neeeeeeeeeeeein, das kann ihc nicht annehmen, aber gerne nehme ich es ein anderes Mal an, jetzt habe ich schon ein Taxi bestellt". - "OK, dann dieses Mal nicht, aber das naechste Mal gibst du mir die Gelegenheit dich nach Hause zu bringen".
Deutsche wuerden sich ueber so ein Angebot gar nicht viele Gedanken machen. Wenn jemand etwas anbietet, dann meint er es so - denkt man.
Ich habe mich einmal mit einer aegyptischen Freundin zerworfen, weil ich sie angeblich zu lange mit meiner Anwesenheit belaestigt habe, obwohl sie - wie sie spater sagte - furchtbar muede war. Tatsache war, ich hatte sie kurz besucht, um ihr etwas zu bringen. Sie bat mich, mich zu setzen. Jedes mal, wenn ich zum gehen ansetzte, sagte sie, ich solle doch noch bleiben, noch einen Tee trinken. Eigentlich wollte ich nach Hause, wollte lernen und blieb, weil ich dachte, ich tue ihr einen Gefallen. Tatsache war, ich dachte "wann kann ich endlich gehen" und sie dachte "wann geht sie endlich". Aber stattdessen sagte sie aus purer arabischer Hoeflichkeit "bleib doch noch". Das war eine Lehre fuer mich: manches ist einfach nur Hoeflichkeit, aber sie meinen es nicht so. Und die Entruestung, wenn man ein Angebot nicht gleich annimmt ist zunaechst nur gespielt. Es gehoert zum Ritual. Da erzaehlte Birtanem mal eine nette Episode, dass jemand, nachdem dieses Ritual wohl zu lange getrieben wurde, und der Betroffene das Angebot tatsaechlich annahm, derjenige dann entsetzt zu seiner Frau sagte "Oh Mann, jetzt muss ich den tatsaechlich zur deutschen Grenze fahren".
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.