männliche Reformer

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
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Jasinah
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Jasinah »

Salam,
Ramadan ist ein Reformer, ob euch das passt oder nicht! Wer legt denn fest, wann jemand als Reformer gilt oder nicht, ihr etwa? Ist nur derjenige einer, der euren (Beate, Maymuna u.a.) Ansichten von Islam entspricht? Scheint mir reichlich arrogant.... sorry...
Und Maymuna, nicht nur "Konservative", wie du meinst sehen eine Kopftuchpflicht, auch Andere befürworten dies. Allein daran läßt sich wohl kaum der Begriff "Reformer" festmachen.
Aber zur Sache zurück. Es wäre sinnvoll sich mit Ramadan auseinanderzusetzen bevor man ihn verurteilt.
Nicht, dass ich seine Ansichten völlig teile, aber er hat bemerkenswerte und interessante Ansätze.
Er lehnt nicht alles Westliche ab, im Gegenteil er fordert dazu auf Positives zu übernehmen und weiterzuentwickeln. Er fordert eine kritische Auseinandersetzung mit der Moderne und nicht eine Verteufelung. Er fordert die Einberufung von Räten, bestehend aus Theologen und Wissenschaftlern, die wohlgemerkt nicht muslimisch sein müssen.
Was das Moratorium betrifft, so ist das Ziel die Abschaffung der Hadd-Strafen, die er in unserer heutigen Zeit als im Widerspruch zur humanen Botschaft des Islam sieht. Aber er glaubt dieses Ziel eher durch eine Aussetzung und dann durch eine innere Reform des Islam, die er anstrebt, zu erreichen, als durch ein plötzliches Verbot. Und gerade in dem Punkt u.a. legt er sich mit den Autoritäten an, nämlich mit denen der Al-Azhar.
So einfach, wie es manche gern hätten, kann man Ramadan nicht abhacken.

LG Jasinah
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Jasinah
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Jasinah »

Beate hat geschrieben:
Jasinah hat geschrieben: Ramadan ist ein Reformer.
Genau das ist er nicht. Er hält genauso an dem klassischen Konzept der Scharia fest wie alle anderen Konservativen. Er spricht nur von einem Moratorium, also einer Aufschiebung der Einführung der Scharia.
Ach Beate, was ist denn die Scharia? Gerade du müßtest doch wissen, dass es keine festgreschriebene Scharia gibt, sondern, dass diese aus den Texten heraus interpretiert wird. Und gerade dabei ist jemand wie Ramadan, der über traditionelle Ansichten hinausdenkt sehr wichtig.
LG Jasinah
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marion
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Re: männliche Reformer

Beitrag von marion »

Naja

Vielleicht geht es ja um den Blickwinkel. Für einen Salafi ist er wahrscheinlich ein Reformer. Für mich ist es wichtig, dass er konservativen Menschen einen Weg zeigt hier im Westen leben zu können und zwar MIT! der Gesellschaft die sie vorfinden.
Psalm 95:6 Kommt, laßt uns anbeten und uns neigen, laßt uns niederknien vor dem HERRN, der uns gemacht hat!

Die Auslegung der Schrift ist nicht in erster Linie abhängig von der Theologie, sondern vom Charakter. (Hans Peter Royer)
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Jasinah
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Jasinah »

Danke Marion, das nenne ich mal einen positiven Ansatz... :D
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Beate
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Beate »

Jasinah hat geschrieben:Salam,
Ramadan ist ein Reformer, ob euch das passt oder nicht! Wer legt denn fest, wann jemand als Reformer gilt oder nicht, ihr etwa?
Nein. Unter Reformislam versteht man die historisch-kritische Koranexegese. Das bedeutet, dass der Koran nur aus seinem historisch-gesellschaftlichen Kontext heraus verstanden werden kann und es bedeutet, dass die Regelungen des Korans nur für die die Zeit der Offenbarung Gültigkeit hatten.
Der große Unterschied zur orthodoxen Auslegung liegt darin, dass man sich mit den Inhalten der Regelungen beschäftigt, und nicht mit ihrer Form.
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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marion
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Re: männliche Reformer

Beitrag von marion »

Wer legt sowas fest?
Martin Luther, zB, hat ja auch nicht die Bibel auch nicht neu interpretiert. Er machte sie durch seine Übersetzung nur dem Volk zugänglich. Ansonsten hat er ja nur die Regeln der Kirche angeprangert....
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Beate »

er hat doch die Grundfesten der katholischen Kirche in Frage gestellt.
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Jasinah »

Beate hat geschrieben:
Jasinah hat geschrieben:Salam,
Ramadan ist ein Reformer, ob euch das passt oder nicht! Wer legt denn fest, wann jemand als Reformer gilt oder nicht, ihr etwa?
Nein. Unter Reformislam versteht man die historisch-kritische Koranexegese. Das bedeutet, dass der Koran nur aus seinem historisch-gesellschaftlichen Kontext heraus verstanden werden kann und es bedeutet, dass die Regelungen des Korans nur für die die Zeit der Offenbarung Gültigkeit hatten.
Der große Unterschied zur orthodoxen Auslegung liegt darin, dass man sich mit den Inhalten der Regelungen beschäftigt, und nicht mit ihrer Form.
Ramadan hat einen historischen Ansatz, auch wenn dieser nicht mit dem historisch-kritischen Ansatz z.B. von Neuwirth vollkommen gleichzusetzen ist (zum Glück). Er versucht gerade den Grund, hinter den Geboten und Verboten zu sehen und zwischen Form und Inhalt zu unterscheiden. Dies betrifft nicht die Glaubensgrundsätze, aber alle sozialen, gesellschaftlichen Angelegenheiten.
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Re: männliche Reformer

Beitrag von marion »

@Beate

ja
aber er hat die Bibel nicht in einen historischen Kontext gestellt. Ich versteh nicht ganz wer denn festlegt wer nun als Reformer zu sehen ist und wer nicht.
Reformen können ja auch kleine Schritte bedeuten oder?
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Beate »

Reformislam ist aber nun schon ein definierter Begriff. Als Reformer in diesem Sinne gelten alle, die im Koran einen historischen Text sehen und kein allgemeingültiges Gesetzbuch. Und Tariq Ramadan gehört nicht dazu.
Sure 18
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Re: männliche Reformer

Beitrag von jalees »

marion hat geschrieben:Wer legt sowas fest?
Martin Luther, zB, hat ja auch nicht die Bibel auch nicht neu interpretiert. Er machte sie durch seine Übersetzung nur dem Volk zugänglich. Ansonsten hat er ja nur die Regeln der Kirche angeprangert....
Es geht bei einer Re-Form doch darum, dass man die "Form" oder "Gestalt" grundlegend veraendert. Luthers "Anprangern" der Regeln hat doch zu einer grundlegenden Umgestaltung der Kirche, des Klerus und auch der Ausuebung der Religion gefuehrt. Wenn Luther z.B. nur ueber einige Regeln gemeckert und einige Erneuerungen verlangt haette, wuerden wir ihn doch kaum als Reformer sehen. Wenn man den Begriff Reformer fuer den Islam und Koran verwendet, dann wird er meistens fuer DenkerInnen verwendet, die die traditionellen Herangehensweisen in Frage stellen und ganz neue Wege einschlagen wollen. Wenn jemand aber z.B. nur ein bisschen modernisieren moechte (d.h. die grundlegenden Aspekte der Tradition beibehalten) ist das keine Islam-Reform.

Ramadan ist daher wahrscheinlich kein Islam-Reformer, weil er die traditionellen Sichtweisen ueber den Koran und die Glaubensausuebung nicht aendern moechte, aber ich glaube schon, dass er ein Sozialreformer ist. Er will die moderne muslimische Gesellschaft und das Miteinanderleben zwischen Muslimen und Nichtmuslimen reformieren.
"Wie der stille See seinen dunklen Grund in der tiefen Quelle hat, so hat die Liebe eines Menschen ihren rätselhaften Grund in Gottes Licht."
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Beate »

Tariq Ramadan drückt sich auch sehr gerne vor der Antwort. Er spricht auch gerne von der individuellen Freiheit. Aber klare Aussagen macht er ungern. Und wenn es gelingt, ihm doch mal ein Statement abzuringen, dann vertritt er ganz klar die traditionellen Positionen. So lehnt er es z.B. ab, dass Frauen ein Gemeinschaftsgebet leiten. Er will auch nicht am Erbrecht rütteln, sondern eine eventuell daraus resultierende finanzielle Notlage von Frauen durch Hilfszahlungen ausgleichen etc.
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Re: männliche Reformer

Beitrag von jalees »

Beate hat geschrieben:Tariq Ramadan drückt sich auch sehr gerne vor der Antwort. Er spricht auch gerne von der individuellen Freiheit. Aber klare Aussagen macht er ungern. Aber wenn es gelingt, ihm doch mal ein Statement abzuringen, dann vertritt er ganz klar die traditionellen Positionen. So lehnt er es z.B. ab, dass Frauen ein Gemeinschaftsgebet leiten. Er will auch nicht am Erbrecht rütteln, sondern eine eventuell daraus resultierende finanzielle Notlage von Frauen durch Hilfszahlungen ausgleichen.
Ich habe letztes Jahr an einer "round table discussion" mit ihm teilgenommen und hatte urspruenglich vor ihn zu zwingen, klare Positionen zu beziehen. Als die Gespraechsrunde anfing, fiel es mir aber sehr schwierig, weil er immer so vage Antworten von sich gab. Er hatte auch so ein charmantes Laecheln, sprach Englisch mit einem netten franzoesischen Akzent und war ueberaus freundlich, so dass ich gar nicht so bissig sein konnte, wie ich es vorgehabt hatte. Er hat aber in seinen Antworten das Konzept "adapt" und nicht "reform" benutzt. Ich glaube, dass er sich selber auch gar nicht als Reformer sieht.
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Beate »

ja, seine zwei großen Thesen sind, dass man sich ans Gesetz halten soll (wow, das haut mich jetzt vom Stuhl :roll: ) und dass der Muslim selbst entscheiden soll, welche Kompromisse er eingehen will. Das sollen jetzt Reformgedanken sein? Also unter einer Reform stelle ich mir etwas anderes vor.
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Re: männliche Reformer

Beitrag von Vitoria »

Kann denn ein Nicht-Theologe von vornherein überhaupt als Reformer einer Religion betrachtet werden? (Oder hat Ramadan doch islamische Theologie studiert, und mir ist das entgangen?)
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