Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
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Catherine
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Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Catherine »

As-salâmu 'alaykum,

ich hab diesen Artikel gerade auf zeit.de gefunden und fand ihn sehr interessant
Islamwissenschaften

Den Koran hinterfragen

Warum einige Muslime anfangs einen Kulturschock erleben, wenn sie Islamwissenschaften studieren
.

Es mag ja vielen Erstsemestern so gehen, dass ihr gewähltes Studienfach ein wenig anders daherkommt, als sie sich das so vorgestellt haben. Besonders groß allerdings ist oft die Kluft zwischen Vorstellung und Wirklichkeit bei Studenten, die Islamwissenschaften studieren und selbst muslimischen Glaubens sind.
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So berichten nicht wenige Professoren von Studienanfängern, die sich nach Vorlesungen über kritische Koranauslegungen beschweren, die aus Protest Seminare verlassen und nur noch den Arabischunterricht besuchen, um den Koran selbst im Original lesen zu können.

Sie sind einem Missverständnis aufgesessen: Sie glaubten, die deutsche Islamwissenschaft sei eine Art islamische Theologie, die den Islam aus bekennender Perspektive behandele, berichtet Lutz Richter-Bernburg, Professor am Orientalischen Seminar der Universität Tübingen. Nicht eine säkulare Wissenschaft, die sich kritisch mit der Religion, Kultur und Geschichte des Islams auseinandersetzt.

Oft handelt es sich um Studenten, die neben den Seminaren an der Universität auch Korankurse in den Moscheen besuchen. Die Unterschiede zwischen den jeweiligen Lehrinhalten sind groß, häufig nicht vereinbar. Ein Konflikt, den eine Studentin so löste, indem sie, wie sie sagt, den »nicht muslimischen Dozenten einfach keinen Glauben mehr schenkt«. Es sind die Studenten, die zusammenzucken, wenn in den Einführungskursen vom Propheten Mohammed gesprochen wird, ohne dass sich an seinen Namen die traditionelle Segensformel anschließt.

Gudrun Krämer, Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin, berichtet von einem Studenten, der verlangte, dass auch der Arabischunterricht an der Uni allein auf der Grundlage des Korans gehalten werden sollte. Sogar ein Lehrbuch hatte er dafür geschrieben.

Es mögen Einzelfälle sei, aber sie finden sich in fast allen Seminaren der Islamwissenschaft. Den Anteil der Muslime unter ihren Studierenden schätzen manche Professoren auf ein Viertel, manche auf die Hälfte. Die Mehrheit von ihnen hat keine Probleme mit dem wissenschaftlichen Umgang mit dem Islam. Wahr sei zudem, dass es auch den Übrigen meist nach ein bis zwei Semestern gelinge, zumindest nach außen hin, zwischen eigenem religiösen Empfinden und der wissenschaftlichen Betrachtung zu unterscheiden, sagt Richter-Bernburg.

So wie etwa Fatima Demir. Sie trägt in den Seminaren immer ein dezentes Kopftuch. Ihren richtigen Namen und den Namen ihrer Hochschule möchte sie nicht in der Zeitung lesen. Sie sagt, in der Moschee sei sie Gläubige, an der Universität Wissenschaftlerin.

Ihrer Kommilitonin aber graut es vor dem Koranexegese-Seminar, in dem es um die wissenschaftliche Diskussion des heiligen Buches geht. Sie sagt, dass ein Nichtmuslim den Koran gar nicht korrekt erklären könne. Würde er den Koran nämlich verstehen, wäre er längst konvertiert, wäre also Muslim. Wahrscheinlich wird Fatimas Kommilitonin den Exegesekurs nicht belegen.

Eine Haltung, die auch bei manchen muslimischen Doktoranden in den Islamwissenschaften zu beobachten ist. Sie scheuen theologische Fragestellungen und greifen lieber auf geschichtliche oder literarische Themen zurück.

Dabei werden Muslime, die über ein religiöses Thema promoviert haben, dringend gesucht, entstehen in Deutschland doch gerade auf Empfehlung des Wissenschaftsrats an mehreren Hochschulen Zentren für Islamische Studien, wie etwa in Tübingen, Osnabrück und Münster. Neben Lehrkräften für den islamischen Religionsunterricht sollen dort auch islamische Religionsgelehrte und der wissenschaftliche Nachwuchs für islamische Studien ausgebildet werden. Im Gegensatz zu den Islamwissenschaften ist es also tatsächlich ein Theologiestudium. Das geeignete Personal hierfür zu finden erweist sich aber als schwierig. Bülent Ucar, Inhaber des Lehrstuhls für islamische Religionspädagogik in Osnabrück, rechnet damit, dass die Lehrstühle für einige Jahre mit ausländischen Gastdozenten besetzt werden müssen. »Es wird händeringend nach Musliminnen und Muslimen gesucht, welche die Lehre zumindest in Bezug auf die Imamausbildung übernehmen können.«
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Birtanem
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

Fabelhafter Artikel. Ich selbst habe jahrelang unter solchen Leuten gelitten, die an einer deutschen Universität schlicht fehl am Platz waren, das aber nicht einsehen konnten, und sich stattdessen darauf verlegt hatten, den Unterricht zu stören und die restlichen Studenten mit ihren Attitüden zu tyrannisieren.
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killyfisch
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von killyfisch »

Oh ja, ich auch. Und die dann noch den Professoren Unglauben unterstellen und die Absicht, den Islam verfälschen zu wollen. Bei manchen dieser Studenten hatte ich allerdings auch den Eindruck, dass sie dachten, sich durch ihre Sprach- und Religionskenntnisse locker durch den Studiengang schummeln zu können und dann bitter enttäuscht waren, als es anders lief.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Amina85 »

Hmmm....was haben die denn anderes erwartet. Es ist ja keine Koranschule in ner Moschee sondern ne Uni...Dass das alles da anders gehandhabt wird ist doch eigentlich klar
Ist das Auge rein, so sieht es nichts als Reinheit.
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Birtanem
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

killyfisch hat geschrieben:Oh ja, ich auch. Und die dann noch den Professoren Unglauben unterstellen und die Absicht, den Islam verfälschen zu wollen. Bei manchen dieser Studenten hatte ich allerdings auch den Eindruck, dass sie dachten, sich durch ihre Sprach- und Religionskenntnisse locker durch den Studiengang schummeln zu können und dann bitter enttäuscht waren, als es anders lief.
Haha, ja. Ich hatte Türkisch 1 bis 3 mit zwei Dritteln Muttersprachlern zusammen. Die hatten einen initialen Vorteil, weil sie sprechen konnten, waren prinzipiell zu cool für den Kurs und sind bei der Abschlußklausur zu Kurs 1 (und Du kannst Dir das Grundschulniveau vorstellen) reihenweise durchgefallen :tuedeltue: Manchmal hat man eben doch die eine oder andere Lücke in Rechtschreibung und Grammatik, wenn man nie eine türkische Schule besucht hat und auch nicht aus einem Bildungshaushalt stammt, sodaß die Eltern das hätten auffangen können.
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Pax

Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Pax »

Das ist ein schöner Artikel. :top:
Ich habe auch von einigen Islamwissenschaftsstudenten aus meiner Umgebung immer wieder gehört, der Dozent wolle den Islam anders darstellen als er ist. :roll: Fand ich echt nervig. Oder eben Leute, die dachten, sie würden locker flockig durchkommen, weil sie Muslime sind, oder schon Arabischkenntnisse haben.
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filfla
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von filfla »

ich werd niemals vergessen: Einführungsveranstaltung Islamwissenschaft, ein Referat zum Thema Ramadhan "Auf Reisen muss man nicht fasten, aber ich war auf Montage und hab trotzdem gefastet, ist nicht so schwer" :tuedeltue:
"Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ins Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit Willen" (Rabia al-Adawiyya).
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

:diva:
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Maymuna
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Maymuna »

Gudrun Krämer, Professorin für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin, berichtet von einem Studenten, der verlangte, dass auch der Arabischunterricht an der Uni allein auf der Grundlage des Korans gehalten werden sollte. Sogar ein Lehrbuch hatte er dafür geschrieben.
:smifun: :smifun: :smifun: :smifun: :smifun: :smifun:
Manche Leute haben echt nicht mehr alle Tassen im Schrank. Ich habe solche Leute zum Glück kaum in den Seminaren erlebt, aber vielleicht habe ich sie auch einfach nicht wirklich wahrgenommen.
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killyfisch
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von killyfisch »

bei uns hat mal eine Studentin dem Professor die 5 Bände Tafsir vom Bavaria-Verlag auf den Tisch geknallt, damit er da mal nachliest - sie hatte nicht verstanden, dass die Auslegung, die er vorgetragen hatte, nicht seine war, sondern von al-Ghazali :lol: Außerdem hatten wir die Bücher eh in der Bibliothek, die ganze Aktion war also völlig umsonst.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von nouar »

Manchen Leuten ist aber auch wirklich gar nichts zu peinlich. :diva:
Wa Alaykum Assalam أمل
malaika

Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von malaika »

Oh Mann! :wall:

Was ich allerdings nicht verstehe – bevor man ein Fach studiert, informiert man sich doch über die Studieninhalte, den Lehrplan, fragt andere, die es bereits studiert haben etc. Tun diese Leute das nicht, oder wie kann es sein, dass sie so völlig überrascht von den Lehrinhalten sind?
Anisah

Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Anisah »

Äh, nein, hab ich auch nicht getan, sonst hätte ich ganz sicher etwas anderes studiert als ich habe :oops: Zugegeben, es war allerdings nicht Islamwissenschaf :tuedeltue:

Ich glaube, ich würde nie Islamwissenschaft studieren wollen; ich hätte Angst, dabei meinen Glauben zu verlieren, wenn ich zu sehr hinter die Dinge schaue. Mein Verstand würde, so fürchte ich, meinen Glauben irgendwann erfolgreich wegrationalisieren.

Ob sich die Leute wohl im Klaren sind, was in diesen neuen "Islamische Theologie auf Lehramt" Studiengängen gelehrt wird? Ich gehöre noch zu den Leuten, die beim Pastor Religionsunterricht, also klaren bekenntnisorientierten Unterricht, hatten. Mit dem, was meine Tochter heute so in Religion lernt, kann ich wenig bis nichts anfangen.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

Anisah hat geschrieben: Ich glaube, ich würde nie Islamwissenschaft studieren wollen; ich hätte Angst, dabei meinen Glauben zu verlieren, wenn ich zu sehr hinter die Dinge schaue. Mein Verstand würde, so fürchte ich, meinen Glauben irgendwann erfolgreich wegrationalisieren.
Aha.
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