Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
Anisah

Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Anisah »

Birtanem hat geschrieben:Aha.
Du darfst mich jetzt feige nennen :mrgreen:
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Birtanem
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

Feige ist nicht das Wort, was mir in den Sinn käme :tuedeltue:
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Birtanem
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

Ich glaube, Ihr macht Euch einfach völlig falsche Vorstellungen vom Fach. Ich kann nicht behaupten, daß meine Sprachkurse, meine Seminare in Geschichte, Ethnologie und Politik des Nahen und Mittleren Ostens oder meine Studienreise in den Iran meine spirituellen Fundamente sonderlich tangiert hätten. Und selbst die Seminare, die eventuell an Glaubenssätzen hätten kratzen können, wie das Hauptseminar zu neuen Entwicklungen in der Koranforschung, fand ich eher spannend als beängstigend. Aber nun ja.
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killyfisch
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von killyfisch »

ich sehe das wie Birtanem. Außerdem: was taugt mein Glaube, wenn er kritischer Betrachtung nicht standhält? Mir hat das Studium jedenfalls viel gegeben, unter anderem auch die Möglichkeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und ohne "Gelehrte" auszukommen.
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Birtanem
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Birtanem »

killyfisch hat geschrieben:Außerdem: was taugt mein Glaube, wenn er kritischer Betrachtung nicht standhält?
Das auch.
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Rosalie
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Rosalie »

Ich hab Islamwissenschaft als Nebenfach, habe aber erst vor kurzem gewechselt (laaange Geschichte). Wie auch immer, ich finde die Inhalte bisher auch nicht "glaubensschwächend", sie könnten höchstens "glaubensöffnend" wirken, wenn man vorher nur mit einer ganz bestimmten Richtung von Islam vertraut war. Und ich glaub auch nicht, dass da noch viel kommt, weil es oft eher um Geschichte und Politik als um Religion und Glauben geht.

Solche Freaks sind mir bei uns aber auch noch nicht aufgefallen. Entweder das kommt noch, wenn es mal ans "Eingemachte" geht, oder sie sind schüchtern, oder mein Jahrgang ist einfach nett und freakfrei.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von jalees »

killyfisch hat geschrieben:ich sehe das wie Birtanem. Außerdem: was taugt mein Glaube, wenn er kritischer Betrachtung nicht standhält? Mir hat das Studium jedenfalls viel gegeben, unter anderem auch die Möglichkeit, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und ohne "Gelehrte" auszukommen.
Das Studium heisst ja "Islamwissenschaft" und nicht "Islamglaubenschaft" oder "Islambruderschaft". Fuer viele Muslime ist die Idee, dass man die Grundlagen ihres Glaubens kritisch hinterfragen wuerde, so unfassbar, dass sie damit nicht zurechtkommen.

Hier in den USA passiert das auch vielen fundamentalistischen Christen, die vergleichende Religionswissenschaft studieren. Ihnen kommt es gar nicht in den Sinn, dass man Religionen “neutral” vergleichen kann, ohne klarzustellen was wirklich “wahr” ist.

Uebrigens haben wohlbehuetete konservative Amerikaner auch ein Problem, wenn sie hier Wirtschaftswissenschaften oder Naturwissenschaften studieren. An meiner Uni muessen sie z.B. auch Kurse belegen, die den amerikanischen Kapitalismus, Konservativismus und Rationalismus angreifen (Cultural Studies, Critical Theory, Postmodernity) oder das wissenschaftliche Denken an sich in Frage stellen (Wissenschaftsphilosophie von Kuhn und Feyerabend).

In den USA wird auch das Fach Islamwissenschaft an den meisten Unis nicht angeboten, sondern man macht erst ein Bachelor-Studium in Allgemeiner Religionswissenschaft (wo an den meisten Unis mehrere Religionen kritisch analysiert werden) . Danach macht man ein Masters Studium oder eine Doktorarbeit (ist hier 5-7 Jahre lang !!!) mit einem islamischen Schwerpunkt.

Ich hatte letztes Jahr ein Gespraech mit zwei muslimischen Doktoranden (Themenbereich Islamic / Middle East Studies) an meiner Uni. Sie haben sich beide ueber ihre Doktorvaeter beschwert, weil diese nicht “Muslime” seien, und diese Doktorvaeter ueber den Koran reden, als ob es einfach nur ein historisch bedeutender Text sei, und nicht eine Heilige Schrift. “They have no stake in it”, haben sie gemeint.

Ich habe sie dann gefragt, warum sie denn ueberhaupt hier promovieren, wenn das so ein Problem fuer sie ist. Sie koennten ja auch in einem islamischen Land promovieren. Aber sie meinten, sie brauchen die “legitimacy” (Legitimierung) mit einem PhD von einer angesehenen amerikanischen Uni. Nur so koennten sie eine akademische Karriere haben und Respekt in den Augen der westlichen Akademiker erlangen. Das wuerde eine richtige Dawah ermoeglichen, weil sie dadurch auch dem Islam Respekt verschaffen.

Hamza Yusuf und Zaid Shakir haben jetzt hier in den USA ein islamisches College gegruendet, wo man Islam studieren kann, und nicht unbedingt neutral sein muss und auch nicht den Korantext kritisch zerlegen muss. Sie warten nur auf die staatliche Anerkennung ihres Bachelor Studiengangs. Diese kommt wahrscheinlich bald, schliesslich gibt es in den USA auch christliche Colleges, die das Christentum nicht kritisch analysieren.

Hier ist ein Link zum Zaytuna College: In diesem Foto tragen natuerlich alle Maedels brav Hijab :)

http://www.zaytunacollege.org/about/
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Musafira
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Musafira »

Hm, in meinem ersten Semester war ich auch noch eine von denen, die im Artikel beschrieben werden. :oops: Wenn Dozenten einfach nur "Muhammad" sagten, murmelte ich brav mein "salla llahu alaikhi wa sallam", ich aergerte mich darueber, dass die Direktoffenbarung des Qur'an angezweifelt wurde etc. etc. Aber irgendwann merkte ich, dass ich in diesem Fach sehr wertvolle Dinge lernen kann und v.a. das wichtigste: Handwerkszeug, um selbst an Texte zu gehen. Ich kam auch in Kontakt mit arabischen kritischen Auseinandersetzungen aus dem 16. Jahrhundert oder so - das ist Literatur, die heutzutage von den Muslimen voellig unterschlagen wird. Und das hat mir in vielem die Augen geoeffnet.

Wir hatten einen Arabisch-Professor, der hat Muttersprachler in der ersten Stunde immer gleich fies in die Zange genommen. Manche blieben dann gleich weg, weil sie merkten, dass das eben kein Spaziergang ist, andere merkten, dass es harte Arbeit ist und legten ihre "ich bin Muttersprachler-Hoerner" schnell ab. Ein paar wenige, naemlich die, die, die wirklcih gut in Arabisch waren, verdienten sich den Respekt des Dozenten.
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
Anisah

Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Anisah »

Birtanem hat geschrieben:Feige ist nicht das Wort, was mir in den Sinn käme :tuedeltue:
Mir schon: die Idee, an einer Universität zu studieren, habe ich damals, nachdem mir klar wurde, wie es da abläuft, schnell fallen gelassen und bin an eine FH gegangen, wo nichts kritisch hinterfragt wird (schon gar nicht meine eigene Sichtweise). Im Nachhinein nicht so schlau, ich war völlig unterfordert.
killyfisch hat geschrieben:was taugt mein Glaube, wenn er kritischer Betrachtung nicht standhält?
Hm...dazu sollten wir wohl eher einen neuen Fred aufmachen, sonst wird's hier ein bisschen sehr OT.
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killyfisch
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von killyfisch »

jalees hat geschrieben:Das Studium heisst ja "Islamwissenschaft" und nicht "Islamglaubenschaft" oder "Islambruderschaft". Fuer viele Muslime ist die Idee, dass man die Grundlagen ihres Glaubens kritisch hinterfragen wuerde, so unfassbar, dass sie damit nicht zurechtkommen.
Hier wird ja nun an mehreren Unis eine Art Studiengang in islamischer Theologie eingeführt, anscheinend nach dem Vorbild Katholischer und Evangelischer Theologie, die ihren festen Platz an deutschen Unis haben, mit dem Ziel, islamische Religionslehrer und Imame auszubilden. Während meines Studiums der Religionswissenschaft (habe Orientalistik und vergleichende Religionswissenschaft studiert), das in Frankfurt von der Katholischen und Evangelischen Theologie gemeinsam angeboten wird, habe ich auch theologische Seminare an beiden Fakultäten besucht. Die Qualität ist doch, je nach Dozent, recht unterschiedlich. Ich hätte jetzt nicht alles als wissenschaftlich bezeichnet, was da lief. In der Debatte um die islamische Theologie in Deutschland ärgert mich, dass anscheinend andere Ansprüche gestellt werden als an die christlichen Theologien, und zwar nicht nur auf wissenschaftlicher Ebene, sondern eben auch auf politischer, also beispielsweise Integrationsförderung. Ich würde aber bei entsprechender Wahlmöglichkeit sicher wieder Orientalistik bzw. Islamwissenschaft wählen und nicht den theologischen Studiengang.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Beate »

Anisah hat geschrieben:Ich glaube, ich würde nie Islamwissenschaft studieren wollen; ich hätte Angst, dabei meinen Glauben zu verlieren, wenn ich zu sehr hinter die Dinge schaue. Mein Verstand würde, so fürchte ich, meinen Glauben irgendwann erfolgreich wegrationalisieren.
au weia.....
Bei mir wäre es genau umgehrt: ich hätte den Eindruck, ich hätte den Glauben verloren, wenn ich Angst hätte, ihn zu reflektieren.
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[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von sadiqa »

Musafira hat geschrieben:Ich kam auch in Kontakt mit arabischen kritischen Auseinandersetzungen aus dem 16. Jahrhundert oder so - das ist Literatur, die heutzutage von den Muslimen voellig unterschlagen wird. Und das hat mir in vielem die Augen geoeffnet.
Diesen Aspekt finde ich spannend (ohne selbst Ahnung von der Materie zu haben).
Denke aber gerade, wenn diese historischen Auseinandersetzungen in das Bewusstsein heutiger Muslime / religiös-intellektuelle Debatten etc. einfliessen würden, wäre das ein wichtiger Ansatz für progressive Veränderungen im Islam selbst bzw. aus dem Islam heraus.
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Re: Zeit Online: Den Koran hinterfragen

Beitrag von Maymuna »

Ich hatte auch jede Menge Seminare, die mich spirituell wirklich weitergebracht haben. Wo lernt man denn im wahren Leben schon was über die Mu'taziliten? :clapp:
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