Spricht Gott am liebsten Arabisch?

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Beate
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

mit Sicherheit nicht das, das heute in Marokko gesprochen wird. Da sind wir uns ja einig.
Mich stört immer nur, wenn der Eindruck entsteht, der Koran sei nicht mehr der, der er mal war oder sei eigentlich ein unverständliches Buch.
Die Entwicklung von Sprachen vollzieht sich erstens extrem langsam und ist deswegen zweitens sehr gut rekonstruierbar.
Es gibt eine durchgehende Kontinuität vom Ursprungstext zum heutigen Text. Gut, die Schrift hat sich verändert. Aber die Sprache nicht. Das wäre sonst dokumentiert. Es gab schon immer auch Korankommentare, Schriften zur Sira, Hadithsammlungen etc. Eine Veränderung der Sprache wäre nicht unentdeckt geblieben. Daraus dürfen wir folgern, dass der Korantext so wie wir ihn heute kennen, dem Text entspricht, der zur Zeit der Offenbarung entstand. Und da spielt es auch keine Rolle, ob sich seitdem die Schrift geringfügig verändert hat oder die Grammatik.
Der Urtext mit all seinen Eigentümlichkeiten (die ja bekannt sind wie z.B. alte Schreibweisen, ungebräuchliche Strukturen etc. ) ist bekannt.
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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killyfisch
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:Mich stört immer nur, wenn der Eindruck entsteht, der Koran sei nicht mehr der, der er mal war oder sei eigentlich ein unverständliches Buch.
Das hat doch aber auch keiner behauptet.
Die Entwicklung von Sprachen vollzieht sich erstens extrem langsam und ist deswegen zweitens sehr gut rekonstruierbar.
Ist die Rekonstruktion nicht aber schwieriger für die Entwicklung einer Sprache, bevor sie eine eigene Schriftsprache hat? Also die rein gesprochene Sprache.
Es gibt eine durchgehende Kontinuität vom Ursprungstext zum heutigen Text. Gut, die Schrift hat sich verändert. Aber die Sprache nicht. Das wäre sonst dokumentiert. Es gab schon immer auch Korankommentare, Schriften zur Sira, Hadithsammlungen etc. Eine Veränderung der Sprache wäre nicht unentdeckt geblieben. Daraus dürfen wir folgern, dass der Korantext so wie wir ihn heute kennen, dem Text entspricht, der zur Zeit der Offenbarung entstand. Und da spielt es auch keine Rolle, ob sich seitdem die Schrift geringfügig verändert hat oder die Grammatik.
Gerade die Korankommentare zeigen doch, dass die Exegeten von der Koransprache her zu unterschiedlichen Auslegungen kamen und eben auch einzelne Wortbedeutungen unterschiedlich auffassten. Und zwar schon von Anfang an. Das heißt für mich, dass heute tatsächlich nicht mehr alles so verständlich ist. Und die Koranfunde zeigen doch deutlich, dass es Abweichungen im Text gibt, auch wenn diese nicht wirklich gravierend sind. Letzten Endes beweisen doch auch die Überlieferungen zur Schaffung eines einheitlichen Texts, dass es irgendwann vorher zu abweichenden Texten gekommen ist.
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Beate
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

ich will gar nicht abstreiten, dass es Abweichungen gab. Ich gehe auch davon aus, dass selbst geübten Auswendiglernern hin und wieder Leichtsinnsfehler passieren.
Aber meiner Meinung nach hat das nichts mit der arabischen Sprache und deren Entwicklung zu tun. Eine Sprache, die seit der Offenbarung des Korans durchgehend verschriftet wurde, verändert sich nicht, ohne dass dies dokumentiert wird. Da, wo es Abweichungen gibt (alte Pluralformen oder Schreibweisen wie z.B. wau zur Verlängerung des A anstelle von Alif) sind ja eben dokumentiert und rekonstruierbar.
Was aus sprachwissenschaftlicher Sicht eben nicht sein kann, ist dass eine Sprache, die durchgehend schriftlich fixiert wird und gleichzeitig gesprochen wird, sich verändert, ohne dass dies dokumentiert wird.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

ich habe das so verstanden, dass die arabische Schriftsprache sich mit der Aufzeichnung des Korans entwickelt hat und eben als Instrument für diese Aufzeichnung immer weiter entwickelt wurde.
Was aus sprachwissenschaftlicher Sicht eben nicht sein kann, ist dass eine Sprache, die durchgehend schriftlich fixiert wird und gleichzeitig gesprochen wird, sich verändert, ohne dass dies dokumentiert wird.
Aber da das Hocharabisch/Koranarabisch (ich vereinfache mal sträflich) ja kaum gesprochen wird - es gibt keine Hocharabisch/Koranarabisch-Muttersprachler-, ist doch eine Veränderung möglich, ohne dass sie dokumentiert wird?

Edit: Ich meine übrigens keine Veränderung im luxenbergschen Sinne, das halte ich für deutlich übertrieben.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

aber es ist die Schriftsprache. Veränderungen in den Dialekten sind nicht dokumentiert, weil diese nicht schriftlich fixiert werden. Aber Veränderungen in der Schriftsprache werden immer dokumentiert.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von jalees »

Beate hat geschrieben:Der Urtext mit all seinen Eigentümlichkeiten (die ja bekannt sind wie z.B. alte Schreibweisen, ungebräuchliche Strukturen etc. ) ist bekannt.
meinst Du mit dem "Urtext" die uthmanische Zusammenstellung? Oder ist der "Urtext" die Gesamtheit aller sieben "Ahruf"?
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killyfisch
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:aber es ist die Schriftsprache. Veränderungen in den Dialekten sind nicht dokumentiert, weil diese nicht schriftlich fixiert werden. Aber Veränderungen in der Schriftsprache werden immer dokumentiert.
Ah, in dem Punkt bin ich deiner Meinung. Da hatte ich dich oben falsch verstanden. Aber deswegen kann es doch trotzdem sein, dass einzelne Wortbedeutungen späteren Generationen unverständlich sind, gerade weil es eben diese Unterschiede zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache gibt. Die Abweichungen in den gefundenen Korantexten sehe ich nicht als Veränderungen der Schriftsprache, sondern als Abweichungen in der Überlieferung, die sich in den Aufzeichnungen zeigen. Und deswegen wurde eine vereinheitlichte Lesung erzwungen (wobei die anfängliche Defektivschrift natürlich nicht gerade eine vereinheitlichte Lesart fördert).

edit: Ich schließe mich jalees' Frage an, ich glaube, das ist der Knackpunkt in unserer Diskussion :)
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

Mir Urtext meine ich die uthmanische Sammlung. Und nein, es kann nicht sein, dass sich die Bedeutung eines Wortes im Laufe der Jahre einfach so verändert hat.
Natürlich hat sich die arabische Sprache in den Dialekten verändert und entwickelt, das bedeutet aber nicht, dass das klassische Arabisch deswegen unverständlich geworden ist.
Ein Bedeutungswandel im Arabischen hätte sich nicht unbemerkt vollziehen können, da das Arabische eben seit der Offenbarung des Korans in unzähligen Werken niedergeschrieben und somit dokumentiert wurde.
Und es sind bis auf die wenigen bekannten altertümlichen Schreibweisen und Formen keine Veränderungen dokumentiert.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von chrikru »

Annähernd passend dazu:
Ab und zu bin ich auf die "Idee" gestossen, dass vorislamische, arabische Wörterbücher gelegentlich Unterschiede zu den heute gängigen nachislamischen, arabischen Wörterbüchern hinsichtlich einzelner oder zusätzlicher Bedeutungen von Wörtern und Wortstämmen aufweisen.
Kann jemand dazu etwas sagen? Wahr oder falsch oder nur eine Vermutung? Stammt die Idee von Islamkritikern, "Reformern" oder Fundis?
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killyfisch
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

hm. Ich sehe das alte Arabisch ja auch nicht als komplett unverständlich an, aber ich denke schon, dass bestimmte Bedeutungsschichten verloren gegangen sind. Wie sonst sind die unterschiedlichen Worterklärungen in den Tafasir zu verstehen? Schon allein, dass die Verfasser die Notwendigkeit sahen, einzelne Worte genau in Ableitung und Grammatik zu erklären, weist doch darauf hin.

@Chrikru: Es gibt keine vorislamischen Wörterbücher. Vielleicht kannst du genauer sagen, was für Wörterbücher du meinst?
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

könntest du bitte ein Beispiel anführen?
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Momentan fällt mir keins ein.
Edit: doch, zu 52:29-30: es scheint, dass die Worte sha'ir und kahin in den älteren Texten verschiedene Arten von Wahrsagern bezeichnen. Später werden die shu'ara aber als Dichter aufgefasst.

Luxenberg geht in seinem Buch (das ich wegen seiner fragwürdigen Methode wirklich nicht empfehlen kann) auch gründlich auf abweichende Wortdeutungen verschiedener Kommentatoren ein, und auch die Übersetzung von Paret weist ja immer wieder darauf hin.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von nurhrii »

Salam Fatima,

nur noch mal zu meinem Posting heute morgen. Ich wollte Dich auf keinen Fall angreifen. Tut mir sehr leid, wenn Du Dich angegriffen gefühlt hast. Ich habe den Tag über überlegt, ob ich Dein Posting einfach missverstanden habe. Es hatte für mich eine negative Konnotation mit dem "wahrscheinlich Nichtmuslim", deshalb habe ich oben so reagiert. InshaAllah hast Du es aber nicht so gemeint, wie ich es aufgefasst habe. Tut mir sehr leid.

Wasalam

Nur
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
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killyfisch
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:könntest du bitte ein Beispiel anführen?
Mir ist noch was eingefallen: Die Namen für die "Paradiesgärten" werden von frühen Kommentatoren eher als Synonyme aufgefasst, während spätere Exegeten daraus verschiedene Gärten machen.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

das impliziert aber nicht, dass die ursprüngliche Bedeutung verloren ging.
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