Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
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Fatima

Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Fatima »

nurhrii hat geschrieben:Salam Fatima,

nur noch mal zu meinem Posting heute morgen. Ich wollte Dich auf keinen Fall angreifen. Tut mir sehr leid, wenn Du Dich angegriffen gefühlt hast. Ich habe den Tag über überlegt, ob ich Dein Posting einfach missverstanden habe. Es hatte für mich eine negative Konnotation mit dem "wahrscheinlich Nichtmuslim", deshalb habe ich oben so reagiert. InshaAllah hast Du es aber nicht so gemeint, wie ich es aufgefasst habe. Tut mir sehr leid.

Wasalam

Nur
Salam

kein Problem! Ich habe mich gar nicht angegriffen gefühlt :)

wa salam
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jalees
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von jalees »

@Beate und @Killyfisch

Ich finde Eure Diskussion ueber die Sprache und Sammlung des Korans wirklich sehr interessant, weil ich mich seit Jahren mit diesem Thema beschaeftige, aber oft an der schwierigen Literatur scheitere. OT: Das Buch, das Birtanem zitiert (Quran in Context), kann man ab November 2011 in einer einigermassen erschwinglichen Taschenbuchausgabe kaufen.

@Beate Auch wenn man versucht hat das klassische Arabisch und den uthmanischen Text zu bewahren, kann man doch die Sprachrezeption eigentlich nicht bewahren. Ueber die Jahrhunderte hinweg aendern sich doch allmaehlich die Assoziationen, die man mit den Worten verbindet. Das ist doch in der deutschen Sprache auch nicht anders. Das Wort "Angst" gibt es ja schon seit Jahrhunderten, aber was wir heute mit dem Begriff "Angst" verbinden ist doch vielleicht anders als die Assoziation mit "Angst" vor ein paar Jahrhunderten, oder? Ich koennte mir gut vorstellen, dass "Angst" vor Kierkegaard, Nietzsche und vor den Existenzialisten eine viel konkretere Bedeutung fuer die hochdeutschsprechenden Menschen im 16. Jahrhundert, als fuer die hochdeutschsprechenden Menschen heute.
"Wie der stille See seinen dunklen Grund in der tiefen Quelle hat, so hat die Liebe eines Menschen ihren rätselhaften Grund in Gottes Licht."
Søren Kierkegaard

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Beate
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von Beate »

ich glaube, wir sprechen von zwei verschiedenen Dingen.
Mir ist es wichtig zu zeigen, dass der Korantext kein unverständlicher Text ist.
Natürlich lesen wir in unserer heutigen Zeit den Koran anders als jemand aus dem 7. Jahrhundert. Aber der Text als solcher ist verständlich. Unverständlich sind Sprachen, die nicht mehr rekonstruierbar sind. Das sind Sprachen, die nicht fortgeführt wurden, zu denen wir keine linguistische Verbindung herstellen können.
Das Arabische gehört nicht dazu. Seine Entwickling ist durchgehend dokumentiert und es ist ausgeschlossen, dass es Wörter gibt, die zwar vor 1000 Jahren verstanden wurden, heute aber nicht mehr. Was man mit dem Begriff alles assoziieren kann, ist ein anderes Thema. Mir geht es um die Sprache als solche.
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
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nurhrii
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von nurhrii »

Danke, liebe Fatima. :D
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
chrikru

Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von chrikru »

chrikru hat geschrieben:Annähernd passend dazu:
Ab und zu bin ich auf die "Idee" gestossen, dass vorislamische, arabische Wörterbücher gelegentlich Unterschiede zu den heute gängigen nachislamischen, arabischen Wörterbüchern hinsichtlich einzelner oder zusätzlicher Bedeutungen von Wörtern und Wortstämmen aufweisen.
Kann jemand dazu etwas sagen? Wahr oder falsch oder nur eine Vermutung? Stammt die Idee von Islamkritikern, "Reformern" oder Fundis?
killyfisch hat geschrieben:@Chrikru: Es gibt keine vorislamischen Wörterbücher. Vielleicht kannst du genauer sagen, was für Wörterbücher du meinst?
Da ich diese "Idee" selber nicht mehr zuordnen kann und es nicht meine Idee ist, kann ich keine wirklichen Informationen dazu geben. Dass es keine arabischen Wörterbücher vor dem Islam gab, wusste ich nicht. Dazu würde ich gerne mehr wissen. :)

Ansonsten werde ich jetzt einfach mal diese "Idee" ein wenig umreißen und darstellen, als wenn es eine (leicht provokante)These von mir wäre:
Der Quran und der Islam haben die Bedeutung vieler arabischer Wörter im Laufe der Jahrhunderte in eine bestimmte Richtung "beeinflusst". Dadurch ist es heutzutage teilweise nicht möglich, über bestimmte Themen zu diskutieren, ohne dass automatisch die Mainstream-Auslegung des Islam ein bestimmtes Verständnis arabischer Wörter in den Vordergrund (auch unserer Gedanken) schiebt. Es ist für islamkundige, arabischsprechende Menschen fast unmöglich, von der islamischen "Standardbedeutung" eines Wortes zu abstrahieren. Und die arabischen Wörterbücher beinhalten evtl. alle schon indirekt eine Art Quraninterpretation, indem sie im Quran vorkommenden Wörtern gewisse Bedeutungen zuschreiben und evtl. auch einige ältere Bedeutungen auslassen.
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killyfisch
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:das impliziert aber nicht, dass die ursprüngliche Bedeutung verloren ging.
Wie würdest du das denn nennen? Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass unsere Positionen so weit auseinander liegen. Ich sehe den Koran nicht als unverständlichen Text. Aber ich behaupte nach wie vor, dass uns heute nicht alle Worte daraus mehr verständlich sind in ihrer ursprünglichen Bedeutung.
chrikru hat geschrieben:Da ich diese "Idee" selber nicht mehr zuordnen kann und es nicht meine Idee ist, kann ich keine wirklichen Informationen dazu geben. Dass es keine arabischen Wörterbücher vor dem Islam gab, wusste ich nicht. Dazu würde ich gerne mehr wissen. :)
Die arabische Schriftsprache hat sich im Prinzip parallel zur Aufzeichnung des Korantextes entwickelt. Es sind, so weit ich weiß, keine vorislamischen arabischen Texte im Original erhalten, alles, was wir haben, sind Aufzeichnungen aus islamischer Zeit. Das ist zum Beispiel ein Problem, wenn man die vorislamische Dichtung zur Deutung einzelner Koranverse heranziehen will: man kann nicht sicher sagen, ob sie wirklich noch in ihrem Urzustand erhalten ist oder bereits "islamisiert" wurde. Damit kommen wir zu deiner nächsten Frage:
Ansonsten werde ich jetzt einfach mal diese "Idee" ein wenig umreißen und darstellen, als wenn es eine (leicht provokante)These von mir wäre:
Der Quran und der Islam haben die Bedeutung vieler arabischer Wörter im Laufe der Jahrhunderte in eine bestimmte Richtung "beeinflusst". Dadurch ist es heutzutage teilweise nicht möglich, über bestimmte Themen zu diskutieren, ohne dass automatisch die Mainstream-Auslegung des Islam ein bestimmtes Verständnis arabischer Wörter in den Vordergrund (auch unserer Gedanken) schiebt. Es ist für islamkundige, arabischsprechende Menschen fast unmöglich, von der islamischen "Standardbedeutung" eines Wortes zu abstrahieren. Und die arabischen Wörterbücher beinhalten evtl. alle schon indirekt eine Art Quraninterpretation, indem sie im Quran vorkommenden Wörtern gewisse Bedeutungen zuschreiben und evtl. auch einige ältere Bedeutungen auslassen.
Hier antworte ich mal mit einem entschiedenen "jein" ;) Ich denke zwar auch, dass die Bedeutung bestimmter Wörter beeinflusst worden ist, aber es handelt sich meiner Ansicht nach nicht um ein Massenphänomen. Und es sind über die Jahrhunderte hinweg genug umfangreiche Wörterbücher entstanden, in denen die verschiedenen Wortbedeutungen konserviert worden sind. Da sind dann auch Bedeutungen aus der vorislamischen Zeit erhalten, die aber eben erst in islamischer Zeit aufgezeichnet worden sind. (Vielleicht meintest du ja solche Wörterbücher?) Darüber hinaus verschieben sich die Bedeutungen der Worte auch modernen Entwicklungen entsprechend, die nichts mit dem Islam zu tun haben. Deine These vernachlässigt auch, dass nicht alle arabischsprechenden Menschen automatisch Muslime waren/sind.
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:Das Arabische gehört nicht dazu. Seine Entwickling ist durchgehend dokumentiert und es ist ausgeschlossen, dass es Wörter gibt, die zwar vor 1000 Jahren verstanden wurden, heute aber nicht mehr.
Meiner Meinung nach ist sie erst durchgehend dokumentiert, nachdem der Korantext aufgezeichnet wurde. Das macht für mich den Unterschied. Und man sieht eben wirklich bei den frühen Kommentatoren (z.B. Tabari), dass da schon um die Bedeutung einzelner Worte gerungen wurde. Das macht natürlich nicht den Text als Ganzes unverständlich.
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chrikru

Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von chrikru »

@killyfisch: Vielen Dank für deine Antwort, sehr lehrreich. :)

Ich höre öfters von arabischen Muslimen, dass die arabische Sprache und Dichtkunst zur Zeit Mohammeds auf ihrem absoluten Höhepunkt war. Dies wird gerne im Zusammenhang mit der Aussage benutzt, dass trotzdem kein arabischer Dichter je so gute Werke verfasst hat wie es der Quran in sprachlicher Hinsicht ist und der Quran daher nur von Gott persönlich verfasst worden sein kann.

Wie passt denn die Idee, Arabisch wäre damals auf dem absoluten Höhepunkt angelangt, zu der Aussage, dass die arabische Schriftsprache sich parallel zur Aufzeichnung des Korantextes erst entwickelt hat? Ist die "Höhepunkt-Idee" falsch? Oder wurden damals die Werke der Dichter und Schriftsteller nur erzählt aber nicht niedergeschrieben? Hat die Entwicklung der Schriftsprache die Dichtkunst der Araber gar negativ beeinflusst?
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Re: Spricht Gott am liebsten Arabisch?

Beitrag von killyfisch »

chrikru hat geschrieben:Wie passt denn die Idee, Arabisch wäre damals auf dem absoluten Höhepunkt angelangt, zu der Aussage, dass die arabische Schriftsprache sich parallel zur Aufzeichnung des Korantextes erst entwickelt hat? Ist die "Höhepunkt-Idee" falsch?
Die Sache mit dem Höhepunkt bezieht sich auf die Dichtung. Die arabische Dichtkunst soll damals ihren Höhepunkt gehabt haben. Aber das kann natürlich auch eine islamische Legende sein, um den Wert des Korans zu erhöhen, der ja bekanntlich die Werke der Dichter übertroffen haben soll ;)
Oder wurden damals die Werke der Dichter und Schriftsteller nur erzählt aber nicht niedergeschrieben? Hat die Entwicklung der Schriftsprache die Dichtkunst der Araber gar negativ beeinflusst?
Genau, die Dichtung wurde mündlich weiter gegeben. Was natürlich nicht ausschließt, dass es einzelne Aufzeichnungen gab, aber aufgefunden wurde meines Wissens bisher nichts. Ob die Entwicklung der Schriftsprache einen negativen Einfluss auf die Dichtung hatte, kann ich nicht beurteilen. Ich finde die vorislamische Dichtung an sich nicht so doll :oops: So rein inhaltlich jedenfalls. Was mir gefällt, ist die Arbeit mit den Rhythmen und Versmaßen. Wenn das jemand gut vortragen kann, ist es wirklich ein Genuss :)
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