Ich habe noch einen interessanten Aufsatz dazu in der Islamischen Zeitung gefunden, den ich euch nicht vorenthalten will:
Unvereinbar mit dem Islam?
Killyfisch[...] Wissenschaftlich-exegetische Methoden verfügen über eine lange Tradition im Islam. Zur Bildung von Dogmen ohne Text- und Kontextbezug ist es in diesem Sinne nie gekommen. Schon grundsätzliche Ansätze, über die Konsens besteht, kann man, will man die Terminologie benutzen, als historisch-kritische Methode bezeichnen. Hier sollen nur einige Grundlagen exemplarisch genannt werden. Zuerst sind hier die Offenbarungsanlässe (Asbab An-Nuzul) zu nennen. Das Wissen um den Grund und die Situation der Entstehung einzelner Verse (Ayat) ist unerlässlich, um deren Bedeutung richtig erfassen zu können. Daher wurden schon in frühester Zeit intensive Forschungen betrieben, um diese Anlässe sammeln zu können.
Wenn man Stellen aus einer heiligen Schrift nimmt, diese im Kontext ihrer Zeit beleuchtet, um die Bedeutung dann auf heutige Gegebenheiten zu übertragen, so wird die Offenheit der christlichen Theologen gerühmt und dem Islam gegenübergestellt, dessen Vertreter alles wörtlich nähmen und nicht bereit seien, spezifische Stellen als historisch zu akzeptieren. Doch nichts anderes machen islamische Gelehrte, wenn sie den sozio-kulturellen Hintergrund der Zeit der Qur’anentstehung betrachten und einzelne Verse auf eine bestimmte Situation oder nur einer bestimmten Gruppe entsprechend einordnen. Beispielsweise sind manche Verse nur an die Frauen des Propheten, möge Allah ihn segnen und ihm Frieden geben, gerichtet und können nicht auf alle Musliminnen übertragen werden, andere bezogen sich auf eine konkrete Krisensituation. Auch die abgeleitete islamische Quelle des Analogieschlusses (Qiyas), bei dessen korrekter Anwendung zuerst der eigentliche Grund (Illa) bekannt sein muss, zeigt, dass die Zielsetzungen und Hintergründe stets erforscht wurden. Generell gilt in den islamischen Wissenschaften, dass der Glaube mit der Vernunft vereinbar sein muss. So sagte auch schon Al-Ghazali, dass man in der Exegese nicht beim Wortlaut stehen bleiben darf, wenn dieser der Logik widerspricht.
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Die historisch-kritische Methode ist demnach fest im Islam verankert und gehört somit nicht nur zu den westlichen Islamwissenschaften, sondern durchaus auch in die bekenntnisgebundene islamische Theologie. Diese muss sich nicht als unwissenschaftlich hinter die Bibelwissenschaft stellen lassen, und wir Muslime sollten nicht den Fehler begehen, diese Ansicht zu fördern.