Shahada

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
malaika

Re: Shahada

Beitrag von malaika »

Von dem englischsprachigen Text, den ich damals in diesem Thread verlinkt habe, gibt es mittlerweile auch eine (verkürzte) deutsche Fassung.
(Ich habe mir erlaubt, ein paar Rechtschreibfehler zu editieren. ;))



Die Shahada

Die Shahada ist die erste Säule des orthodoxen Islam und lautet: "La ilaha il Allah muhammad rasululah" - "Es gibt keinen Gott außer Gott, und Muhammad ist sein Gesandter". Es ist bemerkenswert, dass ein solches Glaubensbekenntnis im Koran nicht existiert. In Sure 3 Vers 18 findet sich lediglich folgendes:

"Allah bezeugt, dass es keinen Gott gibt außer ihm. Desgleichen die Engel und diejenigen, die das Offenbarungswissen besitzen. Er sorgt für Gerechtigkeit (qaa'iman bil-qisti). Es gibt keinen Gott außer ihm. (Er ist) der Mächtige und Weise."
(Paret)

Wie wir sehen ist dieses Glaubensbekenntnis nicht anderes als die Anerkennung des Monotheismus und ist offenbar nicht an einen bestimmten Propheten oder Gesandten gebunden.

Es stellt sich nun die Frage, ob es laut Koran gestattet ist, die in den Ahadith zu findende Shahada zu befolgen. An dieser Stelle hilft uns zunächst der erste Vers der 63. Sure weiter:

"Wenn die Heuchler (munaafiquun) zu dir kommen, sagen sie: "Wir bezeugen, dass du der Gesandte Allahs bist." Du bist sein Gesandter, weiß Allah! Aber (sie tun nur so, als ob sie es glauben würden.) Allah bezeugt, dass die Heuchler lügen."
(Paret)

Dies bezieht sich selbstverständlich nur auf die Personen zu Lebzeiten Muhammads und nicht auf alle Personen, die eine solche Aussage tätigen. Dennoch erweckt dieser Vers den Eindruck, dass die Bezeugung in Bezug auf Muhammad nicht die beste Art und Weise zu sein scheint. In jedem Falle können wir auch hier keine Pflicht zur orthodoxen Shahada ableiten.

Und überhaupt wirft eine solche Bezeugung die Frage auf, ob ein Mensch, der Muhammad überhaupt nicht gekannt hat, eine solche Sache "bezeugen" kann. Der Koran sagt dazu in Sure 28 Vers 44 folgendes:

"Und du warst nicht auf der westlichen Seite (des Berges), (damals) als wir die Entscheidung für Moses trafen (und ihn zum Gesandten beriefen). Und du warst (dabei) nicht Zeuge."
(Paret)

Wir sehen, eine Zeugenschaft im Wortsinne ist nicht möglich, sondern nur auf Grund dessen, was wir aus den Offenbarungen wissen (wie bereits in Sure 3 Vers 18 angeführt).

Man kann nun einwenden, dass man die Bezeugung, dass Allah ein einziger Gott ist, ebenfalls nur aus dem Koran kennt und somit beide Aussagen formal gleichrangig seien. Dies ist korrekt, denn eine Bezeugung durch Menschen ist nicht notwendig, wie wir aus Sure 4 Vers 79 lernen:

"Was dich an Gutem trifft, kommt von Allah, was dich an Schlimmem trifft, von dir selber. Und wir haben dich zum Gesandten für die Menschen bestellt. Allah genügt (dafür) als Zeuge."
(Paret)

Wie wir sehen genügt Allah als Zeuge, auch wenn wir Dinge auf Grund unseres Wissens (die Wissenden in Sure 3 Vers 18) im übertragenen Sinne "bezeugen" können.

Zusammenfassend könnte man also sagen, dass es durchaus statthaft ist, die orthodoxe Shahada zu sprechen, wenngleich beide Teile nicht verlangt werden und der zweite Teil auf Grund von Sure 63 Vers 1 einen negativen Beigeschmack trägt. Doch sollte man gewahr sein, ob man seinen Glauben durch eine solche "komplette" Bezeugung nicht selbst abqualifiziert, zumal derlei nicht positiv erwähnt wird.


http://www.meine-islam-reform.de/index. ... ahada.html
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Asandra
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Re: Shahada

Beitrag von Asandra »

Danke für die Übersetzung! :D So brauche ich nicht noch mal auf die erste Seite und mein Schul-Englisch bemühen :clapp:

Nun habe ich den ganzen Thread durch, und keine Antwort gefunden... In der türkischen Moschee hab' ich die Shahada gesprochen (zwei männliche Zeugen :engel_lieb: ) - war am Sonntag mal wieder in der Frauensitzung der arabischen Moschee, und sollte dort unbedingt vor dem Sheik mein Bekenntnis wiederholen - ist das üblich :shock: ? Ich fand's jedenfalls sehr merkwürdig, und habe mich geweigert.

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malaika

Re: Shahada

Beitrag von malaika »

Asandra hat geschrieben:Danke für die Übersetzung! :D So brauche ich nicht noch mal auf die erste Seite und mein Schul-Englisch bemühen :clapp:
Der englische Text ist auf jeden Fall interessant, weil er zum Beispiel auch erklärt, dass die Shahada, wie wir sie kennen, auf einen Hadith von Abu Huraira zurückgeht, der ja bekanntlich nicht immer die Wahrheit gesagt hat.

Auch -- und das finde ich einen sehr interessanten Aspekt, werden Beispiele aus dem Qur'an genannt von Menschen, die den Islam annahmen. Und die in dem Zusammenhang verwendete Formulierung ist "Ich ergebe mich dem Herrn der Welten (Aslamtu Li Rabbil Aalameen). Zum Beispiel:

Als sein Herr zu ihm sprach: „Ergib dich Mir!“ sagte er: „Ich ergebe mich dem Herrn der Welten!“
(2:131, in Bezug auf Abraham)

Sie sagte: „Mein Herr, ich habe wahrlich gegen meine eigene Seele gesündigt; und ich ergebe mich mit Salomo Allah, dem Herrn der Welten.“
( 27:44, in Bezug auf die Königin von Saba)

Das ergibt für mich persönlich viel mehr Sinn.

Die Shahada gilt ja als eine sehr wichtige und zentrale Sache, so dass es für viele schon an Ketzerei grenzt, wenn man versucht, daran zu rütteln. Ich habe mich aber in letzter Zeit nochmal näher mit dem Thema beschäftigt und für mich persönlich festgestellt, dass ich in Bezug auf die traditionelle Shahada ein sehr starkes Unwohlsein verspüre und sie in der traditionellen Form nicht sprechen oder schreiben möchte.
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killyfisch
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Re: Shahada

Beitrag von killyfisch »

Asandra hat geschrieben:Nun habe ich den ganzen Thread durch, und keine Antwort gefunden... In der türkischen Moschee hab' ich die Shahada gesprochen (zwei männliche Zeugen :engel_lieb: ) - war am Sonntag mal wieder in der Frauensitzung der arabischen Moschee, und sollte dort unbedingt vor dem Sheik mein Bekenntnis wiederholen - ist das üblich :shock: ? Ich fand's jedenfalls sehr merkwürdig, und habe mich geweigert.
Das würde ich einfach der allgemeinen Begeisterung über deine Konversion zuschreiben :)
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Re: Shahada

Beitrag von Asandra »

:clapp: na gut... danke!

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Re: Shahada

Beitrag von Asandra »

malaika hat geschrieben:
Auch -- und das finde ich einen sehr interessanten Aspekt, werden Beispiele aus dem Qur'an genannt von Menschen, die den Islam annahmen. Und die in dem Zusammenhang verwendete Formulierung ist "Ich ergebe mich dem Herrn der Welten (Aslamtu Li Rabbil Aalameen)".
Diese Formulierung empfinde ich als viel tiefer und verbindlicher, damit ausdrucksstärker als die übliche!

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janise
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Re: Shahada

Beitrag von janise »

Hallo Vera,

mir ging es ähnlich
Bei "La illaha ill`ALLAH" ging / geht mir das Herz auf.

Janise
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Re: Shahada

Beitrag von Dilara »

janise hat geschrieben:Hallo Vera,

mir ging es ähnlich
Bei "La illaha ill`ALLAH" ging / geht mir das Herz auf.

Janise
Ich war im März auf einem Sufi-Treffen und wir haben fast eine halbe Stunde damit Dhikr gemacht - ca. 20 Menschen mit Live-Musik...
Ich bin danach förmlich heimgeflogen... :love:
“God has revealed to me
that there are no rules for worship.
Say whatever and however your loving tells you to.
Your sweet blasphemy is the truest devotion.”
Rumi, translated by Coleman Barks
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