Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Verschiedene Richtungen im Islam. Theologische Konzepte. Forschung (für Gäste lesbar)
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Musafira
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Musafira »

Nun, man muss nicht immer alles verstehen koennen. :?

Ich weiss nicht, wie ein zeitloser Text aussehen soll. Wenn ich es wuesste waere ich wohl Gott. :? Aber jedenfalls geht es mir da aehnlich als Killy, mit ist der Qur'antext nicht zeitlich genug um eine wortwoertliche goettliche Offenbarung zu sein. Dann muesste der Text irgendwie zeitloser sein (fragt mich nicht wie) oder wenn er schon in einem zeitgebundenen Kontext geoffenbart ist wie der Qur'an, dann muesste Gott alle paar Jahrhunderte neue Verbalinspirationen herabsenden. Der Qur'an ist wohl der meist-missbrauchteste Text unserer Zeit, eben weil sich viele Menschen nicht die Muehe machen, ihn fuer unsere Zeit zu interpretieren und ihn woertlich sehen.

Fuer mich hat eben auch die Theorie der Verbalinspiration viele ungeloeste Fragen. Ich habe mich in meiner Meinung noch nicht festgelegt, aber ich halte die Theorie, dass es eben kein wortwoertliches Wort Gottes ist fuer durchaus erwaegenswert. :?
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
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Rabia
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Rabia »

Salam alaikum, Vera!
Ich weiß nicht, was andere glauben. Ich kann also nur für mich selber sprechen.
Glaubt Ihr auch daran, dass die Anordnung des Koran durch Gott erfolgte, oder seht Ihr die als menschengemacht an?
Ich habe gelernt und bin davon auch zu 100% überzeugt, dass die Anordnung des Qur'ans auf göttliche Weisung hin erfolgte.
(Also wie die Forschung, dass der Koran - nach mehreren anders angeordneten Versionen - schließlich unter Uthman seine Endredaktion erfahren hat?)
Uthman (r) hatte den Qur'an so zusammengestellt, dass er derjenigen Version entsprach, die der auswendig gelernten entsprach. Muhammad (s) hatte ja auch nach jeder Offenbarung, die er erhalten hatte, Anweisungen gegeben, an welche Stelle die neuen Verse gehörten. Das erscheint mir auch durchaus logisch.
Bei den Juden und Christen ist es ja so, dass die jeweiligen Endreaktionen der Bibel bei den Juden ca. im 6. Jahrh. nach Christus und für die Christen im 15. Jahrh. stattfanden. Dazwischen lagen auch viele Vorstufen...
Beide Schriften erheben auch nicht den Anspruch von Anfang bis Ende Gottes authentisches Wort zu sein.
Wie ist das dann eigentlich für Euch mit den frühen Fassungen? Bezieht Ihr die mit ein, wenn Ihr an "den Koran" denkt?
Ahmad Ali al Imam (Shaikh Ahmad) legt in seiner 1998 unter dem Namen "Variant readings of the Qur'an" veröffentlichten Dissertation dar, dass alle Abweichungen durch unterschiedliche dialektbedingte Lesarten (-> 7 ahruf), die erst später erfolgten diakretischen Zeichen, etc. nicht wirklich die Bedeutung verändert haben. Alle Abweichungen waren halt nur minimal. Das Interesse, die Worte Allahs (swt) originalgetreu zu bewahren, war halt von Anfang an immens.
Was ist mit der Arbeit der Masoreten (oder nennt man das nur so bei den Juden?), die den Koran dann endgültig mit diakritischen Zeichen versehen haben? Viele Mystiker glaubten ja, ähnlich wie die Kabbalisten, dass der "Urtext" des Koran "verborgen" ist, weil die diakritischen Zeichen nur eine Lesart nahelegen. Beziehungsweise mehrere.
Allah (swt) braucht doch keine verborgene Fassung, um zu wissen, welche Botschaft Er uns hat übermitteln lassen.....schließlich ist Er der Allwissende.
Wasalam
Zuletzt geändert von Rabia am Fr 26. Sep 2008, 09:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Beate
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Beate »

Salam,
vera hat geschrieben:

Salam, nur um des Verständnisses willen: Glaubt Ihr auch daran, dass die Anordnung des Koran durch Gott erfolgte, oder seht Ihr die als menschengemacht an?
Aber man weiß, dass die heutige Anordnung der Suren von Menschen festgelegt wurde. Das wusste ich schon immer. Aber ich wüsste nicht, warum das ein Grund sein sollte, daran zu zweifeln, dass der Koran nicht die authentische Offenbarung sein sollte.
(Also wie die Forschung, dass der Koran - nach mehreren anders angeordneten Versionen - schließlich unter Uthman seine Endredaktion erfahren hat?)
Erstens zählte Uthman zu den Menschen, die die Offenbarungen selbst miterlebt hatten. Zweitens lag eine sehr kurze Zeitspanne zwischen der Zeit der Offenbarung und der Endredaktion und drittens gehe ich davon aus, dass die Leute aufrichtig waren und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben.
Wie ist das dann eigentlich für Euch mit den frühen Fassungen? Bezieht Ihr die mit ein, wenn Ihr an "den Koran" denkt? Was ist mit der Arbeit der Masoreten (oder nennt man das nur so bei den Juden?), die den Koran dann endgültig mit diakritischen Zeichen versehen haben? Viele Mystiker glaubten ja, ähnlich wie die Kabbalisten, dass der "Urtext" des Koran "verborgen" ist, weil die diakritischen Zeichen nur eine Lesart nahelegen. Beziehungsweise mehrere.
Die diakritischen Punkte veränderten nicht den Inhalt. Sie sind eine reine Lesehilfe. Auch im heutigen Arabisch verzichtet man weitestgehend auf die diakritischen Punkte. Man setzt sie in der Regel nur dann, wenn Zweifel auftreten könnten. Aber der normale arabische Text kommt gänzlich ohne diakritische Punkte aus.
Die Unterschiede bei den verschiedenen Lesarten erachte ich persönlich als minimal und nichtig. In keinem Fall findet eine wirkliche Bedeutungsveränderung statt.
Zu den früheren Fassungen kann ich nichts sagen, das sie ja vernichtet wurden. Aber ich persönlich gehe eben davon aus, dass die Leute nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Überprüfen kann ich es natürlich nicht. Genauso wenig wie ich überprüfen kann, ob Muhammad wirklich ein Prophet war oder nur ein Angeber.

Ich finde auch, dass der Korantext nicht mit anderen religiösen Texte verglichen werden kann. Denn von den anderen religiösen Schriften weiß man, dass sie von Menschen übermittelt wurden. Sie sind also mit den Hadithsammlungen vergleichbar. Der Korantext jedoch, so stipuliert er selbst, ist tatsächlich der Text, der aus Muhammads Mund gekommen sein soll.
Es ist für mich ein Unterschied, ob ich sage, dass sich eventuell ein Hadithsammler oder ein Evangelist geirrt hat oder etwas falsch verstanden hat oder böswillig verfälscht hat oder ob ich dem Propheten selbst dies unterstelle.

Ich persönlich sehe es auch als großes Glück an, dass die Menschheit einen Text erhalten hat, der nicht verändert werden darf. Dass alle Muslime auf denselben Urtext zurückgreifen. Ich gehe davon aus, dass ein heilloses Chaos ausbrechen würde, wenn die Menschen anfangen würden, den Originaltext in Frage zustellen und eventuell Verse streichen oder verändern würden.
Ich bekomme ja schon das Grausen, wenn ich sehe, was für Übersetzungen angefertigt werden. Wenn dann der Originaltext auch noch flöten ginge, dann wäre das wirklich das Ende.

Nichtsdestotrotz freue ich mich natürlich, wenn jemand über den Koran Spiritualität erfährt. Es ist nur eben so, dass ich manche Aussagen wie einen gordischen Knoten empfinde, den ich selbst für mich nicht lösen kann.

Salam
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
vera

Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von vera »

Salam Beate,
Ich persönlich sehe es auch als großes Glück an, dass die Menschheit einen Text erhalten hat, der nicht verändert werdIen darf. Dass alle Muslime auf denselben Urtext zurückgreifen. Ich gehe davon aus, dass ein heilloses Chaos ausbrechen würde, wenn die Menschen anfangen würden, den Originaltext in Frage zustellen und eventuell Verse streichen oder verändern würden.
aber genau das scheint doch gar nicht so zu sein? :confused:


Aus Wikipedia:
Neben dem offiziellen Exemplar, das Uthman von Zaid b. Thabit mit ihm zur Seite gestellten Personen, über deren Identität in der historischen Wissenschaft Zweifel herrschen, erstellen ließ, gab es nach muslimischer Tradition noch mindestens vier weitere, abweichende Exemplare, von denen das Wichtigste das von 'Abd Allah ibn Mas'ud ist. Auch das Exemplar von Ubayy b. Ka'b fand wohl größere Verbreitung. Des Weiteren gab es Exemplare von Abu Musa Abdallah Qais al-'Aschari und Miqdad b. 'Amr.
Über das Exemplar von 'Abd Allah ibn Mas'ud berichtet die muslimische Tradition, dass es die Suren 1, 113 und 114 nicht enthalten habe. Außerdem gibt es zwei verschiedene, nicht identische muslimische Überlieferungen von einer stark abweichenden Anordnung der Suren, die beide nicht der Anordnung im autoritativen Exemplar Uthmans entsprechen. Entgegen der muslimischen Auffassung gibt es durchaus Anzeichen, dass dieses Exemplar nicht vernichtet wurde, sondern lange noch Abschriften zirkulierten.
Über das Exemplar von Ubayy b. Ka'b berichtet die muslimische Tradition, dass es zwei weitere Suren enthalten habe, die zwar auch überliefert sind, deren erste Textzeugnisse jedoch spät, im 16. Jahrhundert, datieren. Diese Suren sind unter den Namen Surat al-Khal' und Surat al-Hafd oder beide zusammen unter dem Titel Sùratu 'l-qunùt bekannt. Die historische Wissenschaft bezweifelt, genau wie die muslimische, die Echtheit dieser Suren. Auch für dieses Koranexemplar gibt es eine muslimische Tradition über eine stark abweichende Anordnung der Suren.
Die beiden im Topkapi Museum in Istanbul und in Taschkent befindlichen Exemplare werden von der historischen Wissenschaft in keinem Fall als die bis heute erhaltenen Exemplare der Edition Uthmans angesehen. Man hat aber 1972 in der Hauptmoschee von Sana'a Fragmente alter Kodices auf Pergament gefunden, die nicht nur orthographische Abweichungen im Rasm, sondern auch eine andere Anordnung der Suren enthalten, die die Richtigkeit entsprechender Angaben in der Literatur, vor allem im Kitab al-Fihrist des Ibn al-Nadim, verfasst gegen 987–988, bestätigen. Zweifelsfrei sind die ältesten Fragmente diejenigen, die in der sog. hidschazischen mâ'il-Schrift aufgezeichnet worden sind. Fragmente dieser Kodices liegen in San'a, ein 176 Blätter starkes Fragment liegt in der British Library unter der Nr. Or.2165 und geht auf das frühe achte Jahrhundert zurück.

Zusammengefaßt heißt das doch: es gab mehrere, stark voneinander abweichende Exemplare, zusätzliche und fehlende Suren, eine etwas seltsame Überlieferungsgeschichte (Tochter von Uthman statt Uthman selbst) und auch innermuslimische Zeugnisse darüber, dass die Anordnung der Suren zum Teil anders war als heute. :confused:
(Was für mich immer noch nichts darüber aussagt, ob Mohammed wortwörtliche Weisung erhalten hat. Es hat nur etwas damit zu tun, dass das für Uthman nicht unbedingt gilt.)



Die diakritischen Punkte veränderten nicht den Inhalt. Sie sind eine reine Lesehilfe. Auch im heutigen Arabisch verzichtet man weitestgehend auf die diakritischen Punkte. Man setzt sie in der Regel nur dann, wenn Zweifel auftreten könnten. Aber der normale arabische Text kommt gänzlich ohne diakritische Punkte aus.
Ja, aber soweit ich Marx verstanden habe, wird dann doch ernsthaft die Möglichkeit erwogen, dass eine Reihe Wörter aramäischen Ursprungs sind und dass das mit der Versehung des Korans mit diakritischen Punkten aus dem Bewußtsein herausfiel. Hältst Du diesen aramäischen Einfluß für ausgeschlossen? (Ohne jetzt Luxenbergs Thesen diskutieren zu wollen, ich beziehe mich auf Marx und seine Zusammenfassung der Forschung.)


Wenn dann der Originaltext auch noch flöten ginge, dann wäre das wirklich das Ende.
Das Ende von was?


LG

Vera
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von vera »

Salam Rabia,
Rabia hat geschrieben:Salam alaikum, Vera!
Ich habe gelernt und bin davon auch zu 100% überzeugt, dass die Anordnung des Qur'ans auf göttliche Weisung hin erfolgte.
Uthman (r) hatte den Qur'an so zusammengestellt, dass er derjenigen Version entsprach, die der auswendig gelernten entsprach. Muhammad (s) hatte ja auch nach jeder Offenbarung, die er erhalten hatte, Anweisungen gegeben, an welche Stelle die neuen Verse gehörten. Das erscheint mir auch durchaus logisch.
Hm, aber diese Endredaktion waren doch ganz normale Menschen, keine Propheten. Und nicht einer, sondern mehrere...

Bei den Juden und Christen ist es ja so, dass die jeweiligen Endreaktionen der Bibel bei den Juden ca. im 6. Jahrh. nach Christus und für die Christen im 15. Jahrh. stattfanden. Dazwischen lagen auch viele Vorstufen...
Beide Schriften erheben auch nicht den Anspruch von Anfang bis Ende Gottes authentisches Wort zu sein.
Ja, aber so wie ich das verstanden habe, ist es gesichert, dass es mehrere, voneinander abweichende Korane gab. Verschiedene Reihenfolgen der Suren, zusätzliche und fehlende Suren. Ich weiß nicht, ob das noch als "minimal" gelten kann.
Ahmad Ali al Imam (Shaikh Ahmad) legt in seiner 1998 unter dem Namen "Variant readings of the Qur'an" veröffentlichten Dissertation dar, dass alle Abweichungen durch unterschiedliche dialektbedingte Lesarten (-> 7 ahruf), die erst später erfolgten diakretischen Zeichen, etc. nicht wirklich die Bedeutung verändert haben. Alle Abweichungen waren halt nur minimal. Das Interesse, die Worte Allahs (swt) originalgetreu zu bewahren, war halt von Anfang an immens.
Was ist mit der Arbeit der Masoreten (oder nennt man das nur so bei den Juden?), die den Koran dann endgültig mit diakritischen Zeichen versehen haben? Viele Mystiker glaubten ja, ähnlich wie die Kabbalisten, dass der "Urtext" des Koran "verborgen" ist, weil die diakritischen Zeichen nur eine Lesart nahelegen. Beziehungsweise mehrere.
Allah (swt) braucht doch keine verborgene Fassung, um zu wissen, welche Botschaft Er uns hat übermitteln lassen.....schließlich ist Er der Allwissende.
Wasalam
Das ist ein anderes Thema. Es geht eher darum, dass ein so gewaltiger Text mehrere exegetische "Ebenen" hat. Je nach Zugang kann er dann anders verstanden werden.

LG

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Beate
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Beate »

Salam Vera,
Die diakritischen Punkte veränderten nicht den Inhalt. Sie sind eine reine Lesehilfe. Auch im heutigen Arabisch verzichtet man weitestgehend auf die diakritischen Punkte. Man setzt sie in der Regel nur dann, wenn Zweifel auftreten könnten. Aber der normale arabische Text kommt gänzlich ohne diakritische Punkte aus.
Ja, aber soweit ich Marx verstanden habe, wird dann doch ernsthaft die Möglichkeit erwogen, dass eine Reihe Wörter aramäischen Ursprungs sind und dass das mit der Versehung des Korans mit diakritischen Punkten aus dem Bewußtsein herausfiel. Hältst Du diesen aramäischen Einfluß für ausgeschlossen? (Ohne jetzt Luxenbergs Thesen diskutieren zu wollen, ich beziehe mich auf Marx und seine Zusammenfassung der Forschung.)
Das muss ich mich selbst korrigieren. Ich habe gerade die diakritischen Punkte mit den Vokalzeichen verwechselt.
Aber die sind natürlich nicht gemeint. Da habe ich gerade einen Fehler gemacht.

Zur Aussage als solcher: Es ist eine These, die sich nicht beweisen lässt.
Ich persönlich sehe es auch als großes Glück an, dass die Menschheit einen Text erhalten hat, der nicht verändert werdIen darf. Dass alle Muslime auf denselben Urtext zurückgreifen. Ich gehe davon aus, dass ein heilloses Chaos ausbrechen würde, wenn die Menschen anfangen würden, den Originaltext in Frage zustellen und eventuell Verse streichen oder verändern würden.
aber genau das scheint doch gar nicht so zu sein? :confused:


Zusammengefaßt heißt das doch: es gab mehrere, stark voneinander abweichende Exemplare, zusätzliche und fehlende Suren, eine etwas seltsame Überlieferungsgeschichte (Tochter von Uthman statt Uthman selbst) und auch innermuslimische Zeugnisse darüber, dass die Anordnung der Suren zum Teil anders war als heute. :confused:
(Was für mich immer noch nichts darüber aussagt, ob Mohammed wortwörtliche Weisung erhalten hat. Es hat nur etwas damit zu tun, dass das für Uthman nicht unbedingt gilt.)
In wie weit stellt eine unterschiedliche Anordnung der Suren die These des göttlichen Ursprungs des Koranstextes in Frage?
Ja, es gibt Ungereimtheiten. Aber die Ungereimtheiten, die man recherchieren kann, wie z.B. dass im einen Falle die Suren 113 und 114 nicht enthalten waren, verändern doch nirgends die Bedeutung. Es ist doch nicht so, dass dadurch der gesamte Koran eine völlig neue Bedeutung erhielte.
Natürlich waren da Menschen zugange. Und wenn man sich die Hadithsammlungen anschaut, muss man sich selbst eingestehen, dass mit Sicherheit auch ein paar schwarze Schafe darunter waren, die versuchten, die Religion in ihrem Sinne zu korrumpieren.

Das Ende von was?
Das Ende des Korans.

Nochmal:
es lassen sich weder der göttliche Ursprung des Korans noch die Prophetenschaft Muhammads wissenschaftlich beweisen.
Es ist eine Glaubenssache.
Für mich ganz persönlich war es einfach so, dass ich, als ich anfing, mich mit dem Koran zu beschäftigen, ein sehr intensives Gotteserlebnis hatte. Ich begegnete im Koran Gott auf direkte unmittelbare Weise. Und deswegen ist der Koran Gottes unmittelbares direktes Wort. Muhammad ist für mich in dem Zusammenhang nur ein Postbote. Ich begegne im Koran Gott und nicht Muhammad. Und natürlich kann ich das auch nicht wissenschaftlich beweisen oder erklären. Vielleicht bilde ich mir alles nur ein, vielleicht habe ich Halluzinationen.
Aber es prägt eben meinen Glauben.
Aus meiner ganz persönlichen Sicht gibt es absichtlich ein paar Ungereimtheiten, um nämlich Zweifel streuen zu können.
Ja, auch der Koran muss anzweifelbar sein können. Das gehört für mich zur Strategie.
Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus ist nämlich die Gesamtaussage des Korans wichtig. Auch wenn ich den Korantext nie verändern würde, ist es für mein Glaubensverständnis irrelevant ob in einem Vers nun "fa" oder "wa" steht. Diese Unterschiede sind nur für Dogmatiker von Bedeutung.

Ich persönlich bin im Koran Gott begegnet und Gott hat mir vermittelt, dass ich diesem Buch folgen soll, so wie es sich mir präsentiert hat. Mehr kann ich über meinen persönlichen Zugang zum Koran nicht sagen.

Salam
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
[104] "Das sind die, deren Eifer im irdischen Leben in die Irre ging, während sie meinen, sie täten gar etwas Gutes."
vera

Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von vera »

Salam, Beate,

In wie weit stellt eine unterschiedliche Anordnung der Suren die These des göttlichen Ursprungs des Koranstextes in Frage?
wie ich schon sagte: gar nicht. Es stellt nur infrage, was Rabia hier geschildert hat: dass nämlich auch die Anordnung der Suren direkt - ohne Fehler in der Stillen Post - "gottgeschützt" "unveränderlich" gegeben war.


Ja, es gibt Ungereimtheiten. Aber die Ungereimtheiten, die man recherchieren kann, wie z.B. dass im einen Falle die Suren 113 und 114 nicht enthalten waren, verändern doch nirgends die Bedeutung. Es ist doch nicht so, dass dadurch der gesamte Koran eine völlig neue Bedeutung erhielte.
Ich sehe es schon so, dass ein Koran, der zwei Suren mehr oder zwei Suren weniger enthält, ein anderes Buch ist.
Aber eine "völlig neue Bedeutung" - das kann ich schlicht nicht beurteilen, weil ich die Suren nicht kenne. Das Neue Testament ohne die Bergpredigt wäre jedenfalls ein völlig anderes.


Natürlich waren da Menschen zugange. Und wenn man sich die Hadithsammlungen anschaut, muss man sich selbst eingestehen, dass mit Sicherheit auch ein paar schwarze Schafe darunter waren, die versuchten, die Religion in ihrem Sinne zu korrumpieren.
Auch Uthman und seine Mitstreiter waren ganz normale Menschen. Man braucht noch nicht mal ein schwarzes Schaf zu sein, um einen Text zu korrumpieren. Jeder Mensch macht im Normalzustand "Fehler". Wenn ich Mohammed ein einem Propheten würdiges Verständnis von Gerechtigkeit, Liebe und so weiter zugestehe, so heißt das noch lange nicht, dass ich glaube, dass Uthman ein Mann war, der z.B. die Gleichberechtigung von Frauen in der Gesellschaft im Auge hatte.
Es ist ein ähnliches Gefühl wie bei Jesus und Paulus. Paulus hat für mich eine ganze Menge wegorganisiert, was an Befreiung in der Bibel enthalten war.
Anders gesagt: selbst wenn ich dem Propheten vertraue, warum sollte ich Uthman vertrauen?


LG

Vera







Das Ende von was?
Das Ende des Korans.

Nochmal:
es lassen sich weder der göttliche Ursprung des Korans noch die Prophetenschaft Muhammads wissenschaftlich beweisen.
Es ist eine Glaubenssache.
Für mich ganz persönlich war es einfach so, dass ich, als ich anfing, mich mit dem Koran zu beschäftigen, ein sehr intensives Gotteserlebnis hatte. Ich begegnete im Koran Gott auf direkte unmittelbare Weise. Und deswegen ist der Koran Gottes unmittelbares direktes Wort. Muhammad ist für mich in dem Zusammenhang nur ein Postbote. Ich begegne im Koran Gott und nicht Muhammad. Und natürlich kann ich das auch nicht wissenschaftlich beweisen oder erklären. Vielleicht bilde ich mir alles nur ein, vielleicht habe ich Halluzinationen.
Aber es prägt eben meinen Glauben.
Aus meiner ganz persönlichen Sicht gibt es absichtlich ein paar Ungereimtheiten, um nämlich Zweifel streuen zu können.
Ja, auch der Koran muss anzweifelbar sein können. Das gehört für mich zur Strategie.
Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus ist nämlich die Gesamtaussage des Korans wichtig. Auch wenn ich den Korantext nie verändern würde, ist es für mein Glaubensverständnis irrelevant ob in einem Vers nun "fa" oder "wa" steht. Diese Unterschiede sind nur für Dogmatiker von Bedeutung.

Ich persönlich bin im Koran Gott begegnet und Gott hat mir vermittelt, dass ich diesem Buch folgen soll, so wie es sich mir präsentiert hat. Mehr kann ich über meinen persönlichen Zugang zum Koran nicht sagen.

Salam[/quote]
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Beate »

Salam Vera,
vera hat geschrieben:
Ich sehe es schon so, dass ein Koran, der zwei Suren mehr oder zwei Suren weniger enthält, ein anderes Buch ist.
Aber eine "völlig neue Bedeutung" - das kann ich schlicht nicht beurteilen, weil ich die Suren nicht kenne. Das Neue Testament ohne die Bergpredigt wäre jedenfalls ein völlig anderes.
113. Die Morgendämmerung (Al-Falaq)


Offenbart vor der Hidschra. Dieses Kapitel enthält 5 Verse.

Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen.

1. Sprich: «Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn der Morgendämmerung,

2. Vor dem Übel dessen, was Er erschaffen,

3. Und vor dem Übel der Nacht, wenn sie sich verbreitet,

4. Und vor dem Übel derer, die auf die Knoten blasen (um sie zu lösen),

5. Und vor dem Übel des Neiders, wenn er neidet.»


114. Die Menschheit (An-Nás)

Offenbart vor der Hidschra. Dieses Kapitel enthält 6 Verse.

Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen.

1. Sprich: «Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn der Menschen,

2. Dem König der Menschen,

3. Dem Gott der Menschen,

4. Vor dem Übel des schleichenden Einflüsterers -

5. Der da einflüstert in die Herzen der Menschen -

6. Unter den Dschinn und den Menschen.»


So weit ich informiert bin finden sich diese beiden Suren nicht in der Ausgabe von Tabari. Deswegen gibt es und gab es schon immer eine Debatte darüber, ob diese beiden Suren wirklich Bestandteil des Korans sind oder nicht eher persönliche Gebete Muhammads waren.

Der Koran ist die am besten erhaltene Offenbarungsschrift. Das kann man bei aller Kritik festhalten. Und das ist für mich schon sehr wertvoll. Die Ungereimtheiten nehme ich als Kollateralschäden in Kauf, weil sie meiner Meinung nach in keinster Weise den Sinn der Gesamtaussage in Frage stellen oder verändern. Sie sind dadurch entstanden, dass der Koran eben durch die Hände bzw. Münder von Menschen ging.

Alles ist und bleibt letztendlich eine Glaubenssache.

Salam Beate
Sure 18
[103] Sprich: "Sollen Wir euch die nennen, die bezüglich ihrer Werke die größten Verlierer sind?
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Beate »

PS: Und zu Luxenberg und Ohlig usw.

Ich finde es nicht unseriös, wenn man festhält, dass es keine Beweise für die Existenz Muhammads gibt oder wenn man die arabische Sprache auf ihre Lehnwörter etc. hin untersucht.
Oder wenn man festhält, dass sich im Koran Geschichten finden, die es auch in der Bibel gibt.

DAS finde ich alles seriös. Unseriös finde ich es, wenn man anfängt, komische Experimente zu machen und die Ergebnisse dann als wissenschaftliche Erkenntnisse verkauft (Luxenberg) oder abstruse Theorien strickt aufgrund der Nichtbeweisbarkeit.

DAS finde ich unseriös.

Salam
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vera

Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von vera »

Salam Beate,
Der Koran ist die am besten erhaltene Offenbarungsschrift. Das kann man bei aller Kritik festhalten. Und das ist für mich schon sehr wertvoll. Die Ungereimtheiten nehme ich als Kollateralschäden in Kauf, weil sie meiner Meinung nach in keinster Weise den Sinn der Gesamtaussage in Frage stellen oder verändern. Sie sind dadurch entstanden, dass der Koran eben durch die Hände bzw. Münder von Menschen ging.
das finde ich auch sehr wertvoll. Ich wollte nur festhalten, dass es Kollateralschäden gegeben hat. Wie gravierend die sind (wenn man z.B. die zahlenmystische Grundlage des Korans berücksichtigt), das muß jeder selbst entscheiden. Jedenfalls ist der Koran kein "vom Himmel gefallenes perfektes Buch", sondern ein von normalen Sterblichen (nicht prophetischen) Menschen aufgezeichnetes.
Mir persönlich bricht das keinen Zacken aus der Krone. Vieles ist im Lauf der Geschichte auch erst mit Bedeutung und vor allem mit Moral und Ethik und Ansprüchen aufgeladen worden. Erinnern wir uns kurz an die Tochter des Papstes, Lukrezia Borgia. Offizielle Tochter des Papstes? Heute schlecht vorstellbar, damals ganz normal.

LG

Vera

DAS finde ich alles seriös. Unseriös finde ich es, wenn man anfängt, komische Experimente zu machen und die Ergebnisse dann als wissenschaftliche Erkenntnisse verkauft (Luxenberg) oder abstruse Theorien strickt aufgrund der Nichtbeweisbarkeit.
Was für Experimente meinst Du?
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von Beate »

Salam Vera,
vera hat geschrieben: Was für Experimente meinst Du?
Na, Luxenberg.
Er macht ungefähr folgendes:

Er nimmt einen deutschen Text und fragt sich, was wohl dabei rauskommt, wenn man davon ausgeht, dass es ein englischer Text ist.
In 99% der Fälle kommt nichts Gescheites heraus. Aber ein paar Wörter ergeben doch irgendwie einen Sinn:
aus dem deutschen Kind wird ein englisches kind.
aus dem deutschen Sonne wir ein englisches son.

Das ist es, was Luxenberg gemacht hat. Und nur so ist er zu seinen Weintrauben gekommen.

Salam
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von killyfisch »

Beate hat geschrieben:Na, Luxenberg.
Er macht ungefähr folgendes:

Er nimmt einen deutschen Text und fragt sich, was wohl dabei rauskommt, wenn man davon ausgeht, dass es ein englischer Text ist.
In 99% der Fälle kommt nichts Gescheites heraus. Aber ein paar Wörter ergeben doch irgendwie einen Sinn:
aus dem deutschen Kind wird ein englisches kind.
aus dem deutschen Sonne wir ein englisches son.

Das ist es, was Luxenberg gemacht hat. Und nur so ist er zu seinen Weintrauben gekommen.
Und noch dazu hat er die syrisch-aramäischen Quellen, die er zum Vergleich herangezogen hat, schlampig benutzt :smifun:
"Von deinen Kindern lernst du mehr als sie von dir:
Sie lernen eine Welt von dir, die nicht mehr ist.
Du lernst von ihnen eine, die nun gilt."
(Friedrich Rückert)
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Beitrag von Musafira »

Ich wollte das Thema noch einmal aufwaermen ...
Ich habe uebers Wochenende bei Farid Esack "The Qur'an - A Short Introduction" gelesen. Demnach war die Diskussion, ob der Qur'an woertlich Gottes Wort ist oder Muhammads spirituelle Erfahrung schon seit Jahrhunderten Teil der Debatte. Es ist also keineswegs eine "Modeerscheinung". Es gab schon frueher islamische Theologen die der Meinung waren, Muhammad habe Gott erfahren und Gott hat ihm seinen Geist gegeben, aber die Worte des Qur'an seien Muhammads Worte. Nun ist das alles kompliziert verstehen und ich glaube, ueber die Jahrhunderte war es den Menschen einfacher zu verstehen, dass es sich beim Qur'an um eine Verbalinspiration handele. Ausserdem ist in den letzten Jahrhunderten die islamische Theologie nahezu ausgeloescht worden und einer puren Rechtswissenschaft gewichen.

Ausserdem wurde auch schon immer wieder angefochten, dass die Uthmanische Qur'anausgabe die richtige ist. Unterschiede sind jedoch ueberwiegend minimaler Natur. Zum Teil wurden aber auch einzelne Suren angefochten, z.B. (ausgerechnet!) Sure Yusuf. Ich schreibe ausgerechnet, weil ich die Sure Yusuf als eine sehr schoene Sure empfinde. Diejenigen, die sie anfechteten argumentierten, dass sie stilistisch vom uebrigen Qur'an abweiche. In der islamischen Theologie wurde auch darueber diskutiert, ob vielleicht Muhammad manche Verse habe vergessen koennen. Andere argumentierten, wenn Muhammad einzelne Verse vergas, so habe Gott ihn vergessen lassen.

Es ist also alles gar nicht so klar, wie man es vom offiziellen Islam lernt und viele Dinge wurden ueber Jahrhunderte hinweg diskutiert. Fuer mich gibt es auch einige Ungereimtheiten bezueglich des Offenbarungsprozesses. Ich finde, das letzte Wort ist da noch nicht gesprochen, auch nicht in der islamischen Theologie und es lohnt sich, sich mit Argumenten zu befassen, die zunaechst absurd erscheinen.
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Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von killyfisch »

Ah, danke, das ist sehr interessant :)
"Von deinen Kindern lernst du mehr als sie von dir:
Sie lernen eine Welt von dir, die nicht mehr ist.
Du lernst von ihnen eine, die nun gilt."
(Friedrich Rückert)
vera

Re: Solidarität mit Muhammad Kalisch!

Beitrag von vera »

Danke, Musafira!

Ich hab dazu noch einen kleinen Literaturtip:

http://www.perlentaucher.de/buch/1567.html


Salam

Vera
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