Sufismus

Schriften, Rituale, Dogmen etc. (für Gäste lesbar)
recah09

Re: Sufismus

Beitrag von recah09 »

Also die Beiträge waren ja so alle ganz interessant.Der Grund,warum mich das -thema so interessiert ist der,daß ich auch zu in einem sufiorden Kontakt habe,der aber ziemlich orthodox ist.Da ich das aber nicht gewohnt bin,und die Mitglieder dort zu 99 prozent türkischer Herkunft(d.h. alle #Vorträge in türkisch)habe ich da so meine Probleme
recah09

Re: Sufismus

Beitrag von recah09 »

vera hat geschrieben:
mamamia hat geschrieben:Sorry für die - vermutlich noch dümmere - Frage, aber @vera, du hast mal geschrieben, dein Orden sei ein interreligiöser, oder? Hat Sufismus zwangsweise was mit Islam zu tun? (Himmel, wie hab ich das formuliert, ich hoffe, ich werde nicht mißverstanden, was ich meine ist: Kann man als Christ oder gar als irgendwie Naturgläubiger den sufistischen Traditionen was abgewinnen und sich dort wiederfinden, ohne den Islam als solches anzunehmen?)

Liebe Mamamia, wie vieles in der Welt ist auch dieses ein wenig kompliziert. :lol: Also ja, der Orden ist interreligiös. Das vorher okkulte Wissen ist von Inayat Khan vor etwa hundert Jahren für alle Glaubensrichtungen geöffnet worden. Seitdem wird die Haltung des Sufis als eine durch alle Zeiten hindurchgehende mystische Liebe verstanden, die es in allen Kulturen gibt - aber, und hier ist der Knackpunkt, die erst im Islam zur Blüte gelangt ist. Obwohl also viele andere Theorien wie z.B. Chakrenlehre oder buddhistische Meditation usw. eine Rolle spielen, ist die Ausbildung rein islamisch und wird auch immer islamisch bleiben, da ja die Silsilla, also die Überlieferungskette, islamisch ist. Das spielt für die einzelnen Ordensmitglieder aber gemäß ihrem Wesen jeweils eine ganze andere Rolle.
Viele verstehen Sufismus tatsächlich als das Erlebnis, das sie in der innigen und lebenslangen Verbindung mit ihrem Pir und/oder Shahid haben. Andere, die vom traditionellen Islam oder traditionellem Sufismus kommen, nehmen erstmal in dem Gerüst und der Sprache Platz. Wieder andere lernen sufistische Herzensöffnung, ohne erstmal zu wissen, was passieren wird. Der Wissenstand über Herkunft des Sufismus ist ebenfalls sehr unterschiedlich. Aber darum geht es ja auch nicht. Die spirituelle Arbeit kann wirklich von jedem geleistet werden, der sich davon angezogen fühlt.

Eine ziemlich boshafte buddhistische Freundin meinte neulich, dass es sich bei der Sufi-Meditation ja nur um "Bildchenschauen" handle, nicht um "wirkliche Meditation". Und das stimmt so auch. Während, ganz vorsichtig formuliert, bei der buddhistischen Meditation Seelenruhe und Gleichmut gesucht wird (nicht hauen, wenn das so nicht stimmt, ja?), und in der christlichen Meditation die zumindest partielle Vereinigung mit Christus, so geht die sufistische Arbeit darum, die Namen Allahs zu erlernen und sie in sich zu spiegeln. Die Eigenschaften, quasi als Abglanz, in sich zu erwecken und damit das Herz zu öffnen. Dichtung, Humor, Ekstase und tätiges Arbeiten in der Gemeinschaft und im Alltag gehören dazu. Anders als im Buddhismus sind Klöster verboten, Familien eher die Regel, soziales Engagement Teil der Ausbildung. Wenn einem so etwas gefällt, wenn man sich davon angezogen fühlt meine ich, dann kann man durch dieses zugegebenermaßen etwas eigenartige Konstrukt (Leitung des Ordens islamisch, aber interreligiös) dem allen viel abgewinnen. Mein Lehrer sagte mal, dass es nur sehr wenige Sufis gäbe, die nach dem Aussprechen des ersten Teils der Shahada, also nach dem Verständnis davon, dass es nichts gibt außer Gott, noch das Bedürfnis hätten, sich durch einen zweiten Teil festzulegen, der wiederum (in konservativer Auslegung, ich weiß, dass hier viele ein schönes und weites Bild von allen Propheten im Herzen tragen) eine bestimmte Gefolgsschaft nahelegt. Sprich: im Sufismus wird auf jeden einzelnen Propheten sehr viel Wert gelegt. Aber auch auf andere Schriften wie die Veden oder die Lehren des Buddhas. Und unser Pir ist Schüler des Dalai Lama, so wie der Dalai Lama Schüler des Pirs war.
Und man muß schon auch verstehen, dass die gemeinsame Friedensarbeit der Religionen im Vordergrund steht. Gegenüber den klassischen Tariqas wird die Position vertreten, dass sie ihrerseits mit der okkulten Macht, die sie gesammelt haben und die sie nur Eingeweihten preisgeben, aus der "ursprünglichen" und "frei liebenden" Haltung der Derwische ein System mit vielen Gefahren des Machtmißbrauchs und sehr hierarchischen Strukturen aufgebaut haben. Das sollte durch die Öffnung des Wissens (wofür Inayat Khan ja extrem angegriffen wurde, so weit, dass die klassischen Tariqas seinen Weg gar nicht mehr als Sufi-Weg begreifen) vermieden werden. Das Wissen braucht nun keine machtvollen oder machttollen Scheichs mehr, sondern schützt sich nur noch selbst. In meinen Augen einer der besten Wege, um Wissen zu lehren. Alles andere ist schon wieder Klerus. Und den mag ich normalerweise nicht besonders.


Und hey, mamamia, wenn Du jetzt mal mein Herzchen fragst, könnte ich mir sogar sehr gut vorstellen, dass Du zu den interreligiösen Sufis passen könntest. :love:


Vera
recah09

Re: Sufismus

Beitrag von recah09 »

Birtanem hat geschrieben:Eigentlich nicht, Orden wie Veras sind eher moderne Auswüchse, aber nun ja...offensichtlich geht alles :P
was meinst du mit hoffentlich geht alles :) gibts da wohl Gefahren :confused: ?
Toxicant

Re: Sufismus

Beitrag von Toxicant »

Nicht hoffentlich, sie schrieb offensichtlich :mrgreen:
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nurhrii
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Re: Sufismus

Beitrag von nurhrii »

Naja, abgesehen vom Sufismus, der meiner Meinung nach recht friedlich zu sein scheint (bisher habe ich nichts wirklich Negatives gehört, sondern nur interessante Weisheiten), gibt es ja andere Strömungen im Islam, von denen ich mich tunlichst fernhalte, da die tatsächlich gewisse Gefahren ausweisen, denen ich mich definitiv nicht aussetzen möchte. Da bin ich bis heute froh, dass ich nicht eine derjenigen bin, deren Kopf am Anfang "gewaschen" wurde. :engel_lieb: :mrgreen:
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
adaia

Re: Sufismus

Beitrag von adaia »

@recah09: bitte zitiere nicht seitenlang Beiträge von anderen (hier vera), ohne selbst was dazu zu schreiben. Dadurch entstehen überflüssige Beiträge und es wird schnell unübersichtlich.
Wenn man auf ein Zitat antworten möchte, reicht es meist, die ein, zwei Sätze zu zitieren, die für die eigene Antwort am relevantesten sind.
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Re: Sufismus

Beitrag von Dilara »

recah09 hat geschrieben:
Birtanem hat geschrieben:Eigentlich nicht, Orden wie Veras sind eher moderne Auswüchse, aber nun ja...offensichtlich geht alles :P
was meinst du mit hoffentlich geht alles :) gibts da wohl Gefahren :confused: ?
Es gibt auch Sufi-Orden die versuchen ihre Mitglieder gehirn-zu-waschen. Ich kenne so einen Fall wo einem Mediziner so lange erzählt wurde daß er dem Orden helfen soll bis er dort auf dem Feld gearbeitet hat. :shock:
Im allgemeinen sind Sufis eher lockerer und auch toleranter - aber es gilt was bei allen Gruppen gilt: Genau hinschauen, nachfragen und dann eine Meinung bilden.
“God has revealed to me
that there are no rules for worship.
Say whatever and however your loving tells you to.
Your sweet blasphemy is the truest devotion.”
Rumi, translated by Coleman Barks
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