Wie finde ich die richtige Religion?

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Musafira
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Musafira »

Dann wuerde ich genau raten, daran anzusetzen: warum gibt es fuer dich nur schwarz und weiss? Woher kommen die staendigen Schuldgefuehle? Das ist imho der Grund, warum du den Weg zur Glueckseligkeit nicht finden kannst und - sorry - damit auch nie finden wirst. Zu glauben, mit der Konversion zu einer bestimmten Religion seien die Probleme geloest, ist ein Irrtum. Vielleicht sieht es zunaechst so aus, weil man so von der neuen Religion begeistert ist, aber die Realitaet holt einen dann schnell ein.
Manche Leute meinen, die Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben, dabei war es nur eine Buchstabensuppe.
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Dilara
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Dilara »

SisterNura hat geschrieben:Danke Dilara, da bin ich ja erleichtert dass ich nicht alleine dastehe. Ich mache die 5 Gebete immer, habe seit ich konvertiert bin keines ausgelassen (aber öfters nachgeholt). Ich beneide dich darum, dass du dir das aussuchen kannst. Für mich gibts da irgendwie nur schwarz und weiß: glaube ich, so muss ich mich an alle Pflichten usw halten, und das schließt für mich Hijab mit ein. Praktiziere ich nur das, wonach mir ist, käme ich mit den Schuldgefühlen nicht klar und würde wohl denken, ich bin keine richtige Muslima und kann es auch gleich ganz lassen. Es gibt meiner Meinung nach, wenn man gläubig ist, einfach keine Ausrede, nur das zu machen, was man grade will. Ich will damit niemandem auf die Füße treten, im Gegenteil, ich beneide die Schwestern, die so einen Mittelweg für sich akzeptieren können.
Mein Sufi-Scheich hat mir eine sehr berührende Geschichte erzählt: Ein Mann hat erst gebetet und wollte danach den Propheten etwas fragen. Der Prophet sah ihn an und meinte nur "Du hast noch nicht gebetet. Geh wieder in die Moschee und bete noch einmal!" Der Mann tat dies und kam wieder zum Propheten, der ihn wieder nur ansah und den Satz noch einmal wiederholte. Beim dritten Mal lächelte der Prophet und sagte "Nun hast Du gebetet!" Als der Mann fragte, woran der Prophet das sehen könne, bekam er zur Antwort "Weil Deine Augen leuchten und Dein Mund lächelt!"
Ich fand die Geschichte sehr berührend. Da kam nichts vor von der Pflicht, von einem schlechten Gewissen oder einer Aufgabe. Ganz im Gegenteil: Erst als der Mann Ruhe und Frieden im Gebet gefunden hat, war der Prophet zufrieden - und so soll es doch sein. Das Gebet ist ein Zufluchtsort für uns, keine Pflichtübung. Und so sehe ich das mit allen religiösen Pflichten.
Ich sage damit nicht, daß wir uns nicht manchmal überwinden müssen - aber man merkt danach sehr gut aus welchen Gründen man das getan hat.
“God has revealed to me
that there are no rules for worship.
Say whatever and however your loving tells you to.
Your sweet blasphemy is the truest devotion.”
Rumi, translated by Coleman Barks
Fatima

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Fatima »

@Dilara: Schöne Geschichte! Aber es braucht wohl auch Zeit, dahin zu kommen, manche Dinge nicht als lästige Pflicht zu sehen, sondern etwas Schönes.
malaika

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von malaika »

Musafira hat geschrieben:Dann wuerde ich genau raten, daran anzusetzen: warum gibt es fuer dich nur schwarz und weiss? Woher kommen die staendigen Schuldgefuehle? Das ist imho der Grund, warum du den Weg zur Glueckseligkeit nicht finden kannst und - sorry - damit auch nie finden wirst.
Das glaube ich auch. Ich frage mich auch oft, warum Menschen, die sich mit bestimmten *Pflichten* nicht anfreunden können, dennoch darauf beharren, dass diese Pflichten essentiell seien und ohne sie der Islam ja nur eine Wischi-Waschi-Religion sei.
:confused:
Lila
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Lila »

Ich erkläre es mir dadurch, dass Religion ja immer der Bezug zum Absoluten ist. Wer sich von Gott angesprochen fühlt, versucht angemessen darauf zu antworten in der Art seiner Tradition und scheitert an seinen und manchmal auch an den Ansprüchen der Tradition, weil die einzig angemessene Antwort, die Totalhingabe in jedem Moment, nicht zu leisten ist.
Sich damit abfinden, dass man aus eigener Kraft vor Gott nicht als Gerechter stehen kann, führt oft zu Schuldgefühlen und Resignation. Deshalb denke ich, dass Moral kein leichter Zugang zum Religiösem ist.
Viel leichter empfinde ich den Zugang über die Dankbarkeit, man gibt empfangene Liebe zurück und weiter, da ist durchaus nicht alles genug, aber alles macht froh.
SisterNura

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von SisterNura »

Nunja malaika, nur weil man sich damit schwer tut, eine Pflicht zu erfüllen, heißt das ja nicht gleich, dass man daran nicht festhalten sollte. Wenn man immer den einfachen Weg wählt, kommt man nicht unbedingt weiter im Leben. Wenn man sich mit den 5 Gebeten schwer tut, dann sollte man das doch auch nicht einfach lassen?! Und ich finde, ein bisschen Schuldgefühle sind bei dem einen oder anderen vielleicht auch Motivation, diese Pflichten zu erfüllen. Ich halte nun mal den Hijab für Pflicht, nachdem ich mich ausgiebig mit dem Thema beschäftigt und viel darüber gelesen habe. Und da ich sonst so gut wie möglich praktiziere, ist der Hijab einfach grade das nächste große Thema, mit dem ich mich auseinandersetze. Bitte nicht so verstehen, als wäre für mich der Hijab die Grundlage der Religion, aber wenn man sich mit den meisten anderen Gebieten wie den 5 Säulen, dua, dhikr, sunna, hadith auseinander gesetzt hat, komm eben irgendwann auch die Kleidung dran.

Dankeschön Dilara, ich fand die Geschichte auch sehr interessant. Vielleicht komme ich ja irgendwann an den Punkt, an dem ich sage, egal ob Pflicht oder nicht, und egal was für Sorgen ich habe, ich möchte den Hijab einfach tragen.
malaika

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von malaika »

SisterNura hat geschrieben:Wenn man immer den einfachen Weg wählt, kommt man nicht unbedingt weiter im Leben. Wenn man sich mit den 5 Gebeten schwer tut, dann sollte man das doch auch nicht einfach lassen?!
Ich ärgere mich immer wieder über die Unterstellung, dass Leute, die gewisse Pflichten nicht als Pflichten anerkennen, es sich leicht machen wollen.
:abgelehnt:
SisterNura hat geschrieben:Und ich finde, ein bisschen Schuldgefühle sind bei dem einen oder anderen vielleicht auch Motivation, diese Pflichten zu erfüllen.
Schuldgefühle sind nie die richtige Motivation.
Nunja malaika, nur weil man sich damit schwer tut, eine Pflicht zu erfüllen, heißt das ja nicht gleich, dass man daran nicht festhalten sollte.
So habe ich das auch nicht gemeint. Aber ich beobachte oft, dass der Widerwille gegen eine vermeintliche Pflicht mit einem bestimmten Bauchgefühl, einhergeht, mit Zweifeln an der Logik hinter dieser Pflicht etc. Dass da etwas ist, dass einem sagt, dass dies oder jenes keinen Sinn ergibt, unlogisch ist etc. – kurz, dass es sich nicht richtig anfühlt. Und in einem solchen Fall sollte man schon genauer hinschauen, finde ich.
Fatima

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Fatima »

malaika hat geschrieben:Ich ärgere mich immer wieder über die Unterstellung, dass Leute, die gewisse Pflichten nicht als Pflichten anerkennen, es sich leicht machen wollen.
:abgelehnt:
um die gings hier aber nicht, sondern SisterNura verstehe ich so, dass sie eben das eine oder andere sehr wohl als Pflicht anerkennt, deren Erfüllung ihr aber manchmal schwerfällt. Das muss man schon auseinanderhalten.
malaika

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von malaika »

Auf dieser Basis kann man aber keine produktive Diskussion führen, weil ein grundlegendes Missverständnis vorliegt.
Lila
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Lila »

Ich habe auch nicht von "leichter machen" sondern von einem leichteren Zugang geschrieben.
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Kalanchoe
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Kalanchoe »

malaika hat geschrieben:So habe ich das auch nicht gemeint. Aber ich beobachte oft, dass der Widerwille gegen eine vermeintliche Pflicht mit einem bestimmten Bauchgefühl, einhergeht, mit Zweifeln an der Logik hinter dieser Pflicht etc. Dass da etwas ist, dass einem sagt, dass dies oder jenes keinen Sinn ergibt, unlogisch ist etc. – kurz, dass es sich nicht richtig anfühlt. Und in einem solchen Fall sollte man schon genauer hinschauen, finde ich.
Ich verlasse mich da eig immer auf mein Bauchgefühl-wobei ich momentan kaum bete, auch wenn ich merke, dass es mir wirklich gut tut.. Ich glaube das liegt aber eher an meiner allgemeinen, psychisch grade miesen Verfassung..Ist ja auch eigentlich bescheuert, etwas, was einem gut tut sein zu lassen...Man will es und hat trotzdem irgendwie nicht die Kraft..Manchmal wünschte ich mir mit Muslimen zusammen zu leben um mich manchmal einfach mitziehen zu lassen..
Ich glaube schon dass Gebete wichtig sind, aber würde z.b niemanden als Kuffar beschimpfen, der nicht alle 5 Gebete betet (ich frage mich eh wie leute auf so eine besch.. Idee kommen *augenverdreh) Dafür versuche ich aber so viel an Gott zu denken, mich für schönes zu bedanken (die Eisblumen heute am Glas der Bushaltestelle!! :love: ) und allgemein mich daran zu erinnern, dass Gott da ist.. Das ist so als ex-ungläubige (ich nenn mich mal selbst so) schon schwer. Aber auch schön..
Hab schon überlegt irgendwie so Dhikr zu machen, aber kenn ich damit nicht so aus...
HA, das wäre es, so eine Anleitung "Sufismus für Dummies"
ever tried?
ever failed? No matter..

Try again,
fail again fail better
(s. beckett)
noebaum
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Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von noebaum »

Hallo ihr Lieben
Der Friede sei mit euch
Ich sehe, hier im Forum fühlen sich viele in der ersten Begeisturung zum Islam hingezogen oder sind konvertiert.
Europäerinnen, die gewohnt sind über ihre Zeit frei zu entscheiden, fällt es zunehmend schwerer den genau vorgeschriebenen Tagesablauf zu folgen. Murad Hofmann, der zum Islam konvertiert ist, nennt das in seinem Buch einen struktirierten Tabesablauf. Er beklagt sich aber auch dass in vielen islamischen Ländern, selbsternannte Sittenwächen darüber wachen dass alles genau nach Vorschrift eingehalten wird und das auch durchsetzen.
Ich kann mir nicht vorstellen dass Gott/Allah das gut heißt und ein solcher Erbsenzähler ist. Mir stehen die Haare zu Berge wenn ich über die vielen Einzelvorschriften lese von dennen ich im Koran nichts oder nur sehr undeutliches finde.
Für mich sind Vorschriften Nebensache. Wichtig ist für mich die Erkenntnis dass Gott mich liebt und in jeder Lebenslage begleitet.

Freundliche Grüße Noebaum
Fatima

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von Fatima »

noebaum hat geschrieben:Hallo ihr Lieben
Der Friede sei mit euch
Ich sehe, hier im Forum fühlen sich viele in der ersten Begeisturung zum Islam hingezogen oder sind konvertiert.
Europäerinnen, die gewohnt sind über ihre Zeit frei zu entscheiden, fällt es zunehmend schwerer den genau vorgeschriebenen Tagesablauf zu folgen. Murad Hofmann, der zum Islam konvertiert ist, nennt das in seinem Buch einen struktirierten Tabesablauf. Er beklagt sich aber auch dass in vielen islamischen Ländern, selbsternannte Sittenwächen darüber wachen dass alles genau nach Vorschrift eingehalten wird und das auch durchsetzen.
Ich kann mir nicht vorstellen dass Gott/Allah das gut heißt und ein solcher Erbsenzähler ist. Mir stehen die Haare zu Berge wenn ich über die vielen Einzelvorschriften lese von dennen ich im Koran nichts oder nur sehr undeutliches finde.
Für mich sind Vorschriften Nebensache. Wichtig ist für mich die Erkenntnis dass Gott mich liebt und in jeder Lebenslage begleitet.

Freundliche Grüße Noebaum
Hallo Noebaum

gerade ein strukturierter Tagesablauf ist sehr wichtig, ich habe gestern im Flieger einen Artikel gelesen, demzufolge solche Leute eine höhere Lebenserwartung haben als andere. Hier ist er auch online:

http://www.welt.de/gesundheit/article13 ... enger.html

Wobei es nicht automatisch bedeutet, dass so ein Leben "langweilig" sein muss.

Die Vorschriften sind ein Vehikel, um einen inneren und äußeren Zustand zu schaffen, damit der Mensch Gott näherkommen kann, aber kein Selbstzweck, wozu sie gerade von wahabitischen Gruppierungen gemacht wurden. Ernährung und Sport, kurz körperliche Fitness, gehören aber auch dazu. Der Islam ist eine ganzheitliche Religion, und das hat mich von Anfang an fasziniert daran und das tut es noch, keineswegs nur "in der ersten Begeisterung". Im Gegenteil, ich bin jetzt fast 27 Jahre Muslima, aber diese Faszination nimmt ständig zu.
Außerdem ist doch gerade in Europa ein strukturierter Tagesablauf üblich und wichtig, im Gegensatz zu vielen muslimischen Ländern, wo eher etwas larifari gelebt wird.

Friede sei mit Dir
malaika

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von malaika »

noebaum hat geschrieben:Europäerinnen, die gewohnt sind über ihre Zeit frei zu entscheiden, fällt es zunehmend schwerer den genau vorgeschriebenen Tagesablauf zu folgen.
Europäerinnen haben also in der Regel keinen strukturierten Tagesablauf? Das fällt mir schwer zu glauben. Zwänge gibt es doch immer … aufstehen, zur Arbeit gehen, Kinder in die Schule bringen etc. pp.
noebaum hat geschrieben:Er beklagt sich aber auch dass in vielen islamischen Ländern, selbsternannte Sittenwächen darüber wachen dass alles genau nach Vorschrift eingehalten wird und das auch durchsetzen.
Naja, das ist nur in wenigen islamischen Ländern der Fall.

noebaum hat geschrieben:Ich kann mir nicht vorstellen dass Gott/Allah das gut heißt und ein solcher Erbsenzähler ist.
Ich mir auch nicht.

noebaum hat geschrieben:Mir stehen die Haare zu Berge wenn ich über die vielen Einzelvorschriften lese von dennen ich im Koran nichts oder nur sehr undeutliches finde.
Für mich sind Vorschriften Nebensache. Wichtig ist für mich die Erkenntnis dass Gott mich liebt und in jeder Lebenslage begleitet.
Absolute Zustimmung.
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samsara
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Registriert: Fr 24. Jun 2011, 19:17

Re: Wie finde ich die richtige Religion?

Beitrag von samsara »

genau dieses Gemeinde-mässige Argument der Erbsenzählerei, hat mich dazu veranlasst, die "schützende" Gemeinschaft " meiner bisherigen Religion zu verlassen.

Wo Gottes Wohlwollen und Liebe abhängig gemacht wird, von Dingen die mann/frau tagtäglich zu erledigen hat, und nur dann hat Gott mich lieb....da ist kein Platz für mich...... Nach meiner Vorstellung ist Gottes Liebe bedingungslos. ER braucht uns nicht, aber wir IHN
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