Salam,
wenn ich Dinge lese, wie:
Anstatt ihnen wenigstens als Kleinkinder ein bisschen Geborgenheit und Liebe zu kommen zu lassen, damit sie später nicht zu herzlosen Gewalttätern werden???
oder:
Außerdem habe ich erst heute morgen mit einer anderen Erzieherin telefoniert, die eine Weile in einer Kinderkrippe gearbeitet hatte und mir davon berichtet hat, wie den Eltern Sand in die Augen gestreut wird und ihnen verschwiegen wird, durch welche Qualen ihre Kinder gehen.
Dann frage ich mich noch einmal, warum ein Kind gewalttätig werden soll, weil es mit anderen Kindern rund drei Stunden am Tag spielen darf. In der gesamten Menschheitsgeschichte konnte es sich keine Gesellschaft leisten, dass die Mütter sich 24 Stunden am Tag um die Kinder zu kümmern. Mütter haben immer andere Tätigkeiten geleistet als Kinder betüddeln, die mussten für das tägliche Brot sorgen, egal ob in Landwirtschaft oder Handwerk. Die Großfamilie hat die Betreuung von Anfang an mit übernommen. Mutter geht Kühe melken, Opa hütet das Krabbelkind, Mutter hilft in der Werkstatt, die Tante oder große Schwester hütet die Kleinen. Nur eine gewisse Bürgerschicht konnte ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Mütter mit den Kindern von der sonstigen Gesellschaft wegsperren und eine enge (und leider allzu oft auch neurotische) Mutter-Kind-Idylle schaffen.
Dann denke ich tatsächlich, dass Kinder, die in einer derartigen emotionalen Umklammerung aufwachsen müssen, glücklicher dran wären, wenn sie sich ein paar Stunden in Freiheit entwickeln können. Denn das ist genau das Problem - bei den einen ist es intellektuelle Vernachlässigung, bei anderen ist es Überbehütung, die nicht gerade gut ist. Ein paar Stunden außer Haus nützt allen.
Die "herzlosen" Gewalttäter der Gegenwart stammen vielfach von Eltern, die zu Hause hockten, und die die Kinder
nicht in einer Gruppe fördern haben lassen ... das sind vielfach auch Leute, die gescheitert sind, keine Chance hatten, die Landessprache wirklich gut zu erlernen und so weiter.
Auf einem solchen Niveau, wenn nur die Gefühle sprechen und nicht die Tatsachen, ist eine Diskussion ungemein schwierig. Ich denke, dass Eltern, die ihre Kinder unbedingt gemeinschaftsfern erziehen möchten, doch sicher auch gerne auf das Kindergeld verzichten würden und ihrer Berufung nachkommen. Andere aber, die finanziell weniger gut gestellt sind und das sind nun mal auch häufig Kinder aus Zuwandererfamilien oder sonstiger Unterschicht, für die ist es die einzige Chance auf die notwendige frühe Bildung, wenn sie beizeiten von Fachkräften unterstützt werden, Spielmaterial bekommen und so weiter. Die werden gerade weniger gewalttätig werden, wenn sie später keine Aussenseiter sind, sondern guten Schulerfolg haben und einen Beruf erlernen können. Und auf den Weg zu diesem Erfolg hilft ihnen eben eine Betreuung, die rechtzeitig einsetzt - rund um den 2. Geburtstag (allein schon wegen der Zweisprachigkeit).
Und dann gibt es halt auch noch Mütter, die mit den Kindern keine symbiotische Einheit eingehen möchten, und die eine Gemeinschaftserziehung in der Gruppe pädagogisch begründen. Sich selbst für entbehrlich halten hilft sehr mit, das eigentliche Ziel der Erziehung zu erreichen: Sich tatsächlich entbehrlich machen.
Wassalam,
Rajaa