muslimische Kindererziehung in Europa

Wie leben Muslime in Deutschland, Österreich, der Schweiz usw.? (für Gäste lesbar)
Maha
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Maha » Do 29. Jan 2009, 16:24

mamamia hat geschrieben:
Maha hat geschrieben:Trotzdem habe ich mich wohl während meiner 2,5 Jahre in Agypten so sehr an gewisse "Regeln" gewöhnt, dass ich ziemlich geschockt war, als meine (europäische, nicht muslimische) Familie mich gestern davon überzeugen wollte, dass es sowieso absolut unmöglich sei, in Europa ein Kind aufzuziehen und von ihm zu erwarten, keinen Sex vor der Ehe zu haben, nicht im Bikini rumzulaufen usw :shock:
Mir ist ja klar, dass ich von Kindern in Europa nicht erwarten kann, dass sie nach denselben Mustern aufwachsen wie zum Beispiel Kinder in Agypten (das will ich ja auch ganz und gar nicht)... Aber so ganz auf alle Regeln zu verzichten fällt mir doch sehr schwer.
Ich finde diese Schwarz-Weiß-Malerei immer so herzerfrischend: Hier schlafen alle Leute unverheiratet miteinander, in Ägypten tut es keiner ..... :tuedeltue:

Mir fallen auf Anhieb zwei Mädels ein, die genau aus DEM Grund in Ägypten dann ganz schnell heiraten mussten, weil sie nämlich schwanger waren ... (mal ehrlich, da wär mir dann lieber, meine Tochter ist in Europa, da hat sie es nämlich als ledige Mutter nicht schwerer ... und, ich weiß, es geht um Gehorsam gegenüber Gott, bloß ist der voreheliche Sex höchstens durch Reue Gott gegenüber irgendwie aus dem Sündenregister zu löschen und nicht durch Heirat, bei der geht es nämlich drum, dass die Umgebung nur ja nicht mit dem Finger auf die Mutter zeigt ....).

Es ist mir schon klar, dass in Ägypten, genau wie hier in Europa nicht jeder nach den gesellschaftlichen Regeln handelt. Trotzdem finde ich es für Eltern einfacher, Regeln aufzustellen, die von der Gesellschaft allgemein getragen werden, als solche, die den Ansichten der Gesellschaft widersprechen.
Übrigens geht es mir dabei nur um eine sehr kleine Anzahlt bestimmter Regeln, denn viele Werte und Gedanken, gerade was Kindererziehung betrifft, gefällt mir in Europa viel besser.
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Maha » Do 29. Jan 2009, 16:30

Arife hat geschrieben:
Maha hat geschrieben: Trotzdem habe ich mich wohl während meiner 2,5 Jahre in Agypten so sehr an gewisse "Regeln" gewöhnt, dass ich ziemlich geschockt war, als meine (europäische, nicht muslimische) Familie mich gestern davon überzeugen wollte, dass es sowieso absolut unmöglich sei, in Europa ein Kind aufzuziehen und von ihm zu erwarten, keinen Sex vor der Ehe zu haben, nicht im Bikini rumzulaufen usw :shock:
Mal abgesehen davon wie man zu vorehelichem Geschlechtsverkehr oder Badebekleidung steht, diesen Spruch kann ich auch total nicht ab!!

Für mich enthält er die message dass "unsere" Kinder gefälligst alles (mit)machen sollen was die normale Bevölkerung tut. Und im Fall Deutschland sind es vorwiegend Christen oder Nichtgläubige mit ihren Normen und Ansichten die in der Öffentlichkeit anzutreffen sind. Aber wieso soll sich mein Kind der Mehrheit beugen oder wieso soll ich mich in meiner Erziehung der Mehrheit beugen?
Unmöglich ist schonmal gar nichts! Und es ist ja auch nicht gerade verwerflich mit Sex zu warten oder die Badebekleidung etwas üppiger ausfallen zu lassen.

Und überhaupt, wenn man das Beispiel Vegetarier nimmt ist plötzlich alles okay.
Die Mehrheit der Bevölkerung isst Fleisch und auch in Schulkantinen und Co gibt es meist Gerichte mit Fleisch, aber wenn in diesem Fall Eltern ihren Kinder eine Einstellung der Minderheit (Verzicht auf Fleisch) vermitteln ist das okay.
Das nervt mich.
Es ging meiner Familie nicht darum, dass Kinder (oder in diesem Falle wohl eher Jugendliche) alles mitmachen müssen, was in einer Gesellschaft normal ist... vielmehr darum, dass es eine Qual sei, ihnen Werte vermitteln zu wollen, die in der Gesellschaft von der Mehrheit als absolut altmodisch und strikt gelten.
Natürlich ist es nicht verwerflich, mit Sex zu warten oder die Badekleidung etwas üppiger ausfallen zu lassen... Doch ob das für einen Teenager hier in Europa so einfach ist, das genau ist meine Frage (wegen der ich ja dieses Thema eröffnet habe).
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Judy » Do 29. Jan 2009, 17:36

Salam Maha,

ich habe eine sehr liebe sehr katholisch gläubige Freundin, die auch mit dem Sex bis zur Ehe gewartet hat.
Sie hatte vorher schonmal einen Freund, da hat sie es aber bei Händchen halten und küssen belassen und sich alles weitere für ihren jetzigen Ehemann aufgehoben.

Ich hatte auch vor meinem Mann keinen anderen Partner, mit dem ich intim wurde und das nicht, weil ich so furchtbat gläubig war, sondern weil ich es einfach entsetzlich oberflächlich finde, wie heute teils mit dem Thema Sexualität umgegangen wird und mir bewusst war, dass man dazu auch eine gewisse Reife haben sollte.

Ich bin wegen dieser Einstellung auch eigentlich nie ausgelacht wirden, weil ich "unmodern" wäre, schrullig bin ich sowieso schon immer für einige gewesen :mrgreen:
Aber das hat mich nie wirklich gekratzt.

Und ich denke, dass das der eigentliche Knackpunkt ist, unseren Kindern beizubringen, dass sie hinter ihren Meinungen stehen sollen und diese selbstbewusst verteidigen und dass es egal ist, ob andere das "schick oder modern" finden, sondern nur wichtig ist, dass sie sich damit wohl fühlen.
Wa aleikom salam, Judy :cheer:

*****************************************
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von mamamia » Do 29. Jan 2009, 17:56

Arife hat geschrieben:Und überhaupt, wenn man das Beispiel Vegetarier nimmt ist plötzlich alles okay.
Die Mehrheit der Bevölkerung isst Fleisch und auch in Schulkantinen und Co gibt es meist Gerichte mit Fleisch, aber wenn in diesem Fall Eltern ihren Kinder eine Einstellung der Minderheit (Verzicht auf Fleisch) vermitteln ist das okay.
Das nervt mich.
Naja, klar ist es okay, wenn die Eltern dem Kind den Vegetarismus näherbringen - allerdings wäre ich nicht so blauäugig, zu denken, dass mein Kind nicht vielleicht irgendwann auf die Idee kommen könnte, in der Schulkantine mal vom Nachbarn zu naschen .....

Ich denke, es ist schon wichtig, sich als Elter klarzumachen, dass es meistens anders kommt, als man es erwartet (womit ich ausdrücklich nicht andeuten möchte, dass alle muslimischen Nachkommen hier vorehelichen Sex haben werden oder so - aber die Chance, dass ein Kind sich schlicht anders entscheidet, als die Eltern es für richtig halten, die besteht in JEDER Gesellschaft, und in unserer Gesellschaft fehlt halt dann der Druck von außen, doch in der Spur zu bleiben ...)
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von mamamia » Do 29. Jan 2009, 18:05

Rabia hat geschrieben:Salam alaikum, Ghazali!
In diesem Fall sollte man aber zumindest Nikah machen und einen Ehevertrag (Wie auch immer man ihn dann nennen mag) aufsetzen. Nur einfach so zusammenzuleben, halte ich für verboten. Sorry. Aber das ist meine Meinung.
Ich mische so gern mit, für eine islamische Heirat ist NUR die Anwesenheit von zwei Zeugen nötig, Ehevertrag kann auch mündlich geschlossen werden ...

Wär dann im Grunde - hierzulande - nichts anderes als reines Zusammenleben.
Rabia hat geschrieben: By the way:
Wenn dein Vater und ich nicht verheiratet wären, würde ich im Falle seines Todes keine Witwenrente erhalten. Wäre also ein Sozialfall. keine sehr erstrebenswerte Zukunft.-
Wasalam
Da kommt es - wie immer - auf den Einzelfall an. Ich zum Beispiel brauche keine Witwenrente, wenn meinem Mann was zustößt, wir verdienen annähernd gleich viel (außerdem gibt es Witwenrente auch für Partnerschaften, wenn die schon zehn Jahre bestehen, dagegen gibt es sie für Ehefrauen unter 45 oder so NICHT, wenn die Beziehung kürzer als 10 Jahre gedauert hat ....)
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von kanste » Fr 30. Jan 2009, 08:54

Gehorsam Gott gegenüber??? Meine Mama lebt seit fast 25 Jahren mit ihrem Lebensgefährten zusammen, er ist (wie) mein Papa, er ist der Opa meiner Kinder. Sie sorgen füreinander, wenn es ihnen schlecht geht, sie kümmern sich um uns und um alle ihre (Halb-)Enkelkinder und du willst nun behaupten, dass sie nicht gehorsam Gott gegenüber sind, nur weil sie keinen Trauschein in der Tasche haben???? :evil:
Ich jedenfalls sehe es nicht als Sünde, was meine Mama macht und würde es auch bei meinen Kindern nicht als Sünde sehen, da ich keinen Verstoß gegen göttliche Anweisungen (egal ob christlich oder islamisch) erkennen kann.
:clapp: Ich stimme dir zu. Ich lebe ja auch seit über 10 Jahren mit meinem Partner ohne Trauschein zusammen und sehe dies nicht als Sünde. Ich habe sogar eine Bestätigung eines Kaplans in unserer Gemeind, das es sich dabei nicht um "Unzucht" handelt. :lol:
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Dilara » Fr 30. Jan 2009, 09:20

mamamia hat geschrieben: Naja, klar ist es okay, wenn die Eltern dem Kind den Vegetarismus näherbringen - allerdings wäre ich nicht so blauäugig, zu denken, dass mein Kind nicht vielleicht irgendwann auf die Idee kommen könnte, in der Schulkantine mal vom Nachbarn zu naschen .....

Ich denke, es ist schon wichtig, sich als Elter klarzumachen, dass es meistens anders kommt, als man es erwartet (womit ich ausdrücklich nicht andeuten möchte, dass alle muslimischen Nachkommen hier vorehelichen Sex haben werden oder so - aber die Chance, dass ein Kind sich schlicht anders entscheidet, als die Eltern es für richtig halten, die besteht in JEDER Gesellschaft, und in unserer Gesellschaft fehlt halt dann der Druck von außen, doch in der Spur zu bleiben ...)
Im Prinzip kann ich meinen Kindern alle Überzeugungen, Lebensstile, Religionen usw. nur mitgeben und versuchen gut vorzuleben. Was sie später daraus machen ist einzig und alleine ihre Sache.
Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht wenn der "Druck von außen" fehlt, manchmal führt dieser Druck dazu daß man ein Leben führt das man gar nicht führen möchte.
“God has revealed to me
that there are no rules for worship.
Say whatever and however your loving tells you to.
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von filfla » Fr 30. Jan 2009, 09:43

Dilara hat geschrieben: Im Prinzip kann ich meinen Kindern alle Überzeugungen, Lebensstile, Religionen usw. nur mitgeben und versuchen gut vorzuleben. Was sie später daraus machen ist einzig und alleine ihre Sache.
Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht wenn der "Druck von außen" fehlt, manchmal führt dieser Druck dazu daß man ein Leben führt das man gar nicht führen möchte.

salam,
Das find ich sehr weise!! Ich habe eher die Erfahrung gemacht, je mehr Freiheiten die Kinder haben, desto mehr halten sie sich an den Werten fest. Wenn alles verboten wird, dann wird es erst recht gemacht!! :confused:
"Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ins Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit Willen" (Rabia al-Adawiyya).
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Dilara » Fr 30. Jan 2009, 13:15

filfla hat geschrieben:
Dilara hat geschrieben: Im Prinzip kann ich meinen Kindern alle Überzeugungen, Lebensstile, Religionen usw. nur mitgeben und versuchen gut vorzuleben. Was sie später daraus machen ist einzig und alleine ihre Sache.
Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht wenn der "Druck von außen" fehlt, manchmal führt dieser Druck dazu daß man ein Leben führt das man gar nicht führen möchte.

salam,
Das find ich sehr weise!!
Danke, aber ich hab ja leicht reden - ich hab noch keine Kinder..... :smifun: (frag mich inshallah in ein paar jahren nochmal!)
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Arife » Fr 30. Jan 2009, 17:48

Maha hat geschrieben: Es ging meiner Familie nicht darum, dass Kinder (oder in diesem Falle wohl eher Jugendliche) alles mitmachen müssen, was in einer Gesellschaft normal ist... vielmehr darum, dass es eine Qual sei, ihnen Werte vermitteln zu wollen, die in der Gesellschaft von der Mehrheit als absolut altmodisch und strikt gelten.
Natürlich ist es nicht verwerflich, mit Sex zu warten oder die Badekleidung etwas üppiger ausfallen zu lassen... Doch ob das für einen Teenager hier in Europa so einfach ist, das genau ist meine Frage (wegen der ich ja dieses Thema eröffnet habe).
Salam Maha,
ich wollte dir oder deiner Familie auch nicht zu nahe treten. Höre nur genau das auch immer wieder weswegen mir etwas der Kragen geplatzt ist.
Und die Rechtfertigung ist in der Tat, dass die jetzige Gesellschaft nunmal so modern ist und es für ein Kind unschön werden kann seine (anderen) Werte durchzusetzen. Aber das sehe ich halt anders und finde das auch ziemlichen Quark. Es geht ja nicht darum dass die Kinder.. keine Ahnung, etwas so altmodisches fällt mir jetzt gar nicht ein für das ich nachvollziehen könnte dass sie komisch angesehen werden.

Mich regt halt der Gedanke dahinter auf dass man diesen Gruppenzwang in allen Punkten mitmachen muss, ansonsten würde man seinen Kinder unmöglichen Situationen aussetzen
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Maymuna » Fr 30. Jan 2009, 19:15

filfla hat geschrieben:
Dilara hat geschrieben: Im Prinzip kann ich meinen Kindern alle Überzeugungen, Lebensstile, Religionen usw. nur mitgeben und versuchen gut vorzuleben. Was sie später daraus machen ist einzig und alleine ihre Sache.
Vielleicht ist es aber auch gar nicht so schlecht wenn der "Druck von außen" fehlt, manchmal führt dieser Druck dazu daß man ein Leben führt das man gar nicht führen möchte.

salam,
Das find ich sehr weise!! Ich habe eher die Erfahrung gemacht, je mehr Freiheiten die Kinder haben, desto mehr halten sie sich an den Werten fest. Wenn alles verboten wird, dann wird es erst recht gemacht!! :confused:
Genau!
malaika

Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von malaika » Fr 30. Jan 2009, 20:16

Ich habe zwar keine Kinder, senfe jetzt aber trotzdem mal. ;)

Ich finde den Punkt, der in den letzten Postings angesprochen wurde, sehr wichtig, nämlich, dass man Kindern Werte vermittelt und dann letztlich darauf vertrauen muss, dass diese Werte und die Unterstützung der Familie sie stark genug machen, manchmal gegen den Strom zu schwimmen. Aus persönlichen Beobachtungen heraus neige ich auch eher zu der Meinung, dass Strenge und rigide Kontrolle letzendlich nicht allzu viel bringen. Ich selber habe übrigens als Jugendliche all die Dinge, die "verboten" waren, aus purem Protest gemacht.

Ich glaube aber, dass die hier angesprochenen Punkte nicht nur für muslimische oder "konservative" Eltern ein Thema sind, sondern für fast alle, die sich Gedanken um ein bewusstes Leben und Kindererziehung machen. Es gibt doch, egal, ob in Deutschland, Ägypten oder sonstwo, immer Dinge, Trends, vorherrschende Meinungen, Verhaltensweisen etc., die man persönlich nicht gut findet und von denen man seine Kinder lieber fernhalten möchte.

Wenn ich so an meine eigene Kindheit, Teenagerzeit und die Zeit in meinen frühen Zwanzigern zurückdenke, war ich eigentlich immer irgendwie ein Außenseiter, ein Gegen-den-Strom-Schwimmer etc. Aber das hat mich selten gestört; und mittlerweile stört es mich überhaupt nicht mehr.
Es finden sich doch immer Menschen, die es ähnlich sehen, die auch nicht der breiten Masse folgen, denen es egal ist, ob ihr Verhalten trendy ist oder nicht.


Noch was zum Thema Kinder in Ägypten ...

Meine beste Freundin hat ja einen vierjährigen Sohn und macht sich natürlich ständig Gedanken, wie sie ihn am besten aufzieht in diesem Land.

Im Moment hat sie zum Beispiel das Problem, dass sie gerne einem Club oder Ähnlichem beitreten möchte, weil sie will, dass ihr Sohn die Möglichkeit zum Toben und Draußen-Spielen hat.

Aber auf den Spielplätzen hier in Maadi, einem Upper Class-Viertel, ist das Verhalten der ägyptischen Kinder generell sehr grob und rücksichtslos. Stellen sich die Kinder zum Beispiel an einer Rutsche an, wird keine Reihenfolge eingehalten, sondern sich vorgedrängelt und herumgeschubst. Die Stärkeren können dann immer rutschen, die, die sich nicht vordrängeln wollen oder können, haben Pech gehabt.

Ist ja logisch, es sind halt Kinder. Aber das Schlimme ist, dass die Erwachsenen niemals eingreifen, sondern dieses Verhalten völlig normal finden. Und meine Freundin findet es eben nicht normal und will eigentlich nicht, dass ihr Sohn sich daran gewöhnen muss, dass er sich brutal durchboxen muss, um etwas zu bekommen oder an die Reihe zu kommen. Andererseits ist es eben hier so, dass man mit höflichem Warten und ohne Ellenbogeneinsatz niemals die Chance hat, irgendwo an die Reihe zu kommen. Ich persönlich finde das traurig und nervig und würde meinem Kind auch nicht vermitteln wollen, dass so etwas normal ist.
:confused:
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Elisabeth » Fr 30. Jan 2009, 20:59

Salam,

mit Prinzipien halten tun sich manche Muslime sehr schwer - entweder sie mutieren völlig zu mItläufern oder sie stellen sich kategorisch gegen alles!

Als ich meinen damals noch kleinen Kindern nicht wie die anderen Eltern ein paar Euro in die Hand gedrückt habe um sich Massen von Süßigkeiten und Cola zu kaufen, dann hieß es auch oft, die anderen dürfen das doch auch! Ja und?

Tja, das ist wohl das große Problem, entscheiden zu müssen, welche Regeln und Prinzipien mir wichtig sein sollen und welche weniger.

Salam
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Maha » Fr 30. Jan 2009, 22:44

Arife hat geschrieben:
Maha hat geschrieben: Es ging meiner Familie nicht darum, dass Kinder (oder in diesem Falle wohl eher Jugendliche) alles mitmachen müssen, was in einer Gesellschaft normal ist... vielmehr darum, dass es eine Qual sei, ihnen Werte vermitteln zu wollen, die in der Gesellschaft von der Mehrheit als absolut altmodisch und strikt gelten.
Natürlich ist es nicht verwerflich, mit Sex zu warten oder die Badekleidung etwas üppiger ausfallen zu lassen... Doch ob das für einen Teenager hier in Europa so einfach ist, das genau ist meine Frage (wegen der ich ja dieses Thema eröffnet habe).
Salam Maha,
ich wollte dir oder deiner Familie auch nicht zu nahe treten. Höre nur genau das auch immer wieder weswegen mir etwas der Kragen geplatzt ist.
Und die Rechtfertigung ist in der Tat, dass die jetzige Gesellschaft nunmal so modern ist und es für ein Kind unschön werden kann seine (anderen) Werte durchzusetzen. Aber das sehe ich halt anders und finde das auch ziemlichen Quark. Es geht ja nicht darum dass die Kinder.. keine Ahnung, etwas so altmodisches fällt mir jetzt gar nicht ein für das ich nachvollziehen könnte dass sie komisch angesehen werden.

Mich regt halt der Gedanke dahinter auf dass man diesen Gruppenzwang in allen Punkten mitmachen muss, ansonsten würde man seinen Kinder unmöglichen Situationen aussetzen
Kein Problem, ich verstehe voll und ganz, dass du dich aufregst... mich hat genau dieser Satz ja auch zum Nachdenken gebracht... Im Grunde genommen hast du ja Recht, nur ist dazu die Voraussetzung, dass die Kinder wirklich die Werte der Eltern teilen, was ja nicht immer der Fall ist...
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Re: muslimische Kindererziehung in Europa

Beitrag von Maha » Fr 30. Jan 2009, 22:49

malaika hat geschrieben:
Aber auf den Spielplätzen hier in Maadi, einem Upper Class-Viertel, ist das Verhalten der ägyptischen Kinder generell sehr grob und rücksichtslos. Stellen sich die Kinder zum Beispiel an einer Rutsche an, wird keine Reihenfolge eingehalten, sondern sich vorgedrängelt und herumgeschubst. Die Stärkeren können dann immer rutschen, die, die sich nicht vordrängeln wollen oder können, haben Pech gehabt.

Ist ja logisch, es sind halt Kinder. Aber das Schlimme ist, dass die Erwachsenen niemals eingreifen, sondern dieses Verhalten völlig normal finden. :confused:
Dieses Verhalten scheint in Ägypten nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Erwachsenen tatsächlich normal zu sein... hast nicht du vor kurzem das Thema mit der Metro in Kairo eröffnet... ? :confused: :)
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