Darauf habe ich in einer anderen Diskussion zum Thema auch schon mal hingewiesen. Das Ideal, dass eine Mutter den ganzen Tag zu Hause ist und sich hingebungsvoll um das Kind oder die Kinder kümmert, mit ihnen spielt und sie fördert, ist ein relativ modernes Phänomen, das es vorher nicht gegeben hat.Rajaa hat geschrieben: In der gesamten Menschheitsgeschichte konnte es sich keine Gesellschaft leisten, dass die Mütter sich 24 Stunden am Tag um die Kinder zu kümmern. Mütter haben immer andere Tätigkeiten geleistet als Kinder betüddeln, die mussten für das tägliche Brot sorgen, egal ob in Landwirtschaft oder Handwerk. Die Großfamilie hat die Betreuung von Anfang an mit übernommen. Mutter geht Kühe melken, Opa hütet das Krabbelkind, Mutter hilft in der Werkstatt, die Tante oder große Schwester hütet die Kleinen. Nur eine gewisse Bürgerschicht konnte ab dem Ende des 19. Jahrhunderts die Mütter mit den Kindern von der sonstigen Gesellschaft wegsperren und eine enge (und leider allzu oft auch neurotische) Mutter-Kind-Idylle schaffen.
Auch in anderen Kulturen, in denen Kinder nachweislich viel Geborgenheit erfahren (z.B. in einigen afrikanischen Ländern) ist es keineswegs so, dass das Kind den ganzen Tag an der Mutter klebt, sondern die Gemeinschaft kümmert sich um die Kinder. Da wir heutzutage in den Industrieländern aber nicht mehr eine solche Gesellschaftsstruktur und auch keine Großfamilien mehr haben, müssen wir andere Lösungen finden ... wie halt zum Beispiel Kindergärten / -krippen mit qualitativ hochwertiger Betreuung. Oder Tagesmütter nach dem Vorbild der skandinavischen Länder, wo Kinderbetreuung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gilt und Betreuer gut bezahlt und gesellschaftlich hoch angesehen sind.