Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Hier werden bestimmte Verse im Qur'an diskutiert. Neben konventionellem Tafsir sind eigene Gedanken dazu sehr erwünscht. (für Gäste lesbar)
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ka1960

Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

5:101 Ihr Gläubigen! Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch kundgetan werden, euch leid tun, und die, wenn ihr zu der Zeit, da der Koran herabgesandt wird, nach ihnen fragt, euch (ohnedies) kundgetan werden! Allah hat sie (vorerst) nicht angerechnet. Er ist mild und bereit zu vergeben.

5:102 (Schon) vor euch haben Leute danach gefragt. Aber dann (nachdem sie darüber durch eine Offenbarung Bescheid bekommen hatten) glaubten sie (doch) nicht daran.

Übersetzug: Paret http://www.koransuren.de/koran/surenver ... sure5.html

Ich hätte zwei Fragen:

1) Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch kundgetan werden, euch leid tun
Fragen tut man doch, weil man die Antwort nicht kennt. Wie aber soll man wissen, nach was man nicht fragen soll, wenn man gar nicht weiß, ob einem die Antwort unangenehm wäre.

2) und die, wenn ihr zu der Zeit, da der Koran herabgesandt wird, nach ihnen fragt, euch (ohnedies) kundgetan werden!
Zur Zeit, wo dieser Vers gelesen oder rezitiert wird, ist der Koran doch schon herabgesandt worden. An wen wendet sich der Vers also eigentlich?

Rassoul bezieht sich auf den Vers wie folgt:

Das viele Fragen, um Wissen zu erlangen, ist an sich eine lobenswerte Eigenschaft,
insbesondere bei Kindern, deren Fragen vom Erzieher soweit wie möglich
befriedigend beantwortet werden sollen. Anders sieht es aus bei "hartnäckigen" und
"bohrenden" Fragen, deren unbedingte Antwort die Religionsausübung erschweren.
Für die Gläubigen ist im Qur`an (5:101) derartige Fragerei untersagt: "O ihr, die ihr
glaubt! Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch enthüllt würden, euch
unangenehm wären; und wenn ihr danach zur Zeit fragt, da der Qur`an
niedergesandt wird, werden sie euch doch klar. Allah hat euch davon entbunden; und
Allah ist Allverzeihend, Nachsichtig."

Abu Huraira berichtete, daß der Prophet, Allahs
Segen und Friede auf ihm, sagte: "Lasst eure Befragung sein, solange ich eure
Handlung billige; denn diejenigen, die vor euch waren, gingen durch ihre
(überflüssigen) Fragen und ihre Meinungsverschiedenheiten mit ihren Propheten
zugrunde. Wenn ich euch etwas verbiete, davon haltet euch fern, und von dem, was
ich euch aufgetragen habe, führt es aus, so viel ihr vermöget." (Bu)

Und AI-Mugira Ibn Su'ba berichtete, daß der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte:
"Allah hat euch wahrlich folgendes verboten: die Lieblosigkeit gegen die Mütter, die
Verwehrung einer milden Gabe und deren unrechtmäßige Annahme und die Tötung
der Mädchen. Und Allah verabscheut bei euch ferner das Geschwätz, die häufige
Stellung von Fragen und die Verschwendung des Vermögens (bzw. des Geldes und
der Güter)!" (Bu)
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Birtanem
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von Birtanem »

1) Es gibt eine Geschichte über Moses und ein Opfertier...Moses hatte seiner Gemeinde aufgetragen, eine Kuh zu opfern, und anstatt nun einfach eine Kuh heranzuschaffen, fingen die Leute an zu fragen...wie groß, wie schwer, welche Farbe, etc. bla bla. Bis dann die Ansage kam, einfach eine KUH zu benutzen und aufzuhören, diese sehr einfache Anweisung zu verkomplizieren. Ich habe keinen Tafsir zur Hand, glaube aber, daß der Vers das gleiche meint.

ETA: Ich sehe, Du hast selbst noch etwas hinzugefügt, was meine Aussage stützt. Wissenserwerb wir im Islam als wichtig erachtet, dämliche Fragen, die man sich mit ein bißchen gesundem Menschenverstand selbst beantworten könnte oder die einfach total irrelevant sind, nicht. Ich merke gerade, das entspricht so sehr meinem ungeduldigen Naturell, wunderbar! :smifun:

2) Der Koran wurde ja nicht an einem Stück geoffenbart. Es ist also durchaus möglich, in einer früheren Sure darauf hinzuweisen, daß etwaige Fragen in einer späteren Offenbarung geklärt werden können.
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ka1960

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

Danke!

Ich war der Meinung, Sure 5 sei in der Chronologie die letzte.
ka1960

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

Birtanem hat geschrieben:1) Es gibt eine Geschichte über Moses und ein Opfertier...Moses hatte seiner Gemeinde aufgetragen, eine Kuh zu opfern, und anstatt nun einfach eine Kuh heranzuschaffen, fingen die Leute an zu fragen...wie groß, wie schwer, welche Farbe, etc. bla bla. Bis dann die Ansage kam, einfach eine KUH zu benutzen und aufzuhören, diese sehr einfache Anweisung zu verkomplizieren. Ich habe keinen Tafsir zur Hand, glaube aber, daß der Vers das gleiche meint.

ETA: Ich sehe, Du hast selbst noch etwas hinzugefügt, was meine Aussage stützt. Wissenserwerb wir im Islam als wichtig erachtet, dämliche Fragen, die man sich mit ein bißchen gesundem Menschenverstand selbst beantworten könnte oder die einfach total irrelevant sind, nicht. Ich merke gerade, das entspricht so sehr meinem ungeduldigen Naturell, wunderbar! :smifun:

2) Der Koran wurde ja nicht an einem Stück geoffenbart. Es ist also durchaus möglich, in einer früheren Sure darauf hinzuweisen, daß etwaige Fragen in einer späteren Offenbarung geklärt werden können.
Das (Hervorhebung) deckt sich aber nicht unbedingt mit der Aussage, dass man nur nach Dingen nicht fragen soll, deren Antwort einem unangenehm wäre.
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von Birtanem »

Wieso nicht...wenn man nur genügend dumme Fragen stellt, kommt am Ende garantiert etwas dabei heraus, das man nicht hören wollte :P

Was Sure 5 betrifft, das stimmt, sie steht in der Chronologie ziemlich am Ende :confused:
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

Birtanem hat geschrieben:Wieso nicht...wenn man nur genügend dumme Fragen stellt, kommt am Ende garantiert etwas dabei heraus, das man nicht hören wollte :P
Naja, ich glaube, du bagatellisierst das etwas. Der folgende Vers lässt doch ahnen, dass es da um was ganz besonders gehen muss, nach dem man nicht fragen soll. Hier in einer anderen Übersetzung:

5:102 Es haben schon vor euch Leute nach solchen (Dingen) gefragt, doch dann versagten sie ihnen den Glauben.
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iman07
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von iman07 »

ka1960 hat geschrieben:Danke!

Ich war der Meinung, Sure 5 sei in der Chronologie die letzte.
Koennten mit "vor euch" nicht auch "Leute der Schrift" im Allgemeinen (also Nichtmuslime) gemeint sein?

Muhammad Asad's Fussnote sagt dazu:
Following -Ibn Hazm's principles of jurisprudence, Rashid Rida' thus explains the above verse: "Many of our jurists (fugaha') have, by their subjective deductions, unduly widened the range of man's religious obligations (takalif), thus giving rise to the very difficulties and complications which the clear wording (of the Qur'an] had put an end to; and this has led to the abandonment, by many individual Muslims as well as by their governments, of Islamic Law in its entirety"
Macht auch irgendwie Sinn....

Ich denke das mit dem "unangenehm" ist vielleicht auch teils wieder mal Sache der Uebersetzung. In Muhammad Asad's Uebersetzung steht "might cause you hardship". Und wieder die Fussnote dazu:
the above statement implies that the believers should not try to deduce "additional" laws from the injunctions clearly laid down as such by the Qur'an or by the Prophet, since this "might cause you hardship--that is, might (as has indeed happened in the course of the centuries) impose additional burdens on the believers above and beyond anything that has been stipulated in terms of law in the Qur'an or in the authentic commandments of the Prophet.
Wenn ich das richtig verstehe interpretiert Asad diese Ayat also dahingehend dass nach der Herabsendung des Qurans keine zusaetzlichen (willkuerlichen?) Gesetzt "dazuerfunden" werden sollten, da diese nur das Leben der Glaeubigen erschweren.
"Woran du aber dein Herz hängst, das ist dein Gott"
Martin Luther

"Der erste Schluck aus dem Becher der Naturwissenschaften macht atheistisch, aber auf dem Boden des Bechers wartet Gott."
Werner Heisenberg
regina

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von regina »

iman07 hat geschrieben:................................................
Macht auch irgendwie Sinn....

Ich denke das mit dem "unangenehm" ist vielleicht auch teils wieder mal Sache der Uebersetzung. In Muhammad Asad's Uebersetzung steht "might cause you hardship". Und wieder die Fussnote dazu:
the above statement implies that the believers should not try to deduce "additional" laws from the injunctions clearly laid down as such by the Qur'an or by the Prophet, since this "might cause you hardship--that is, might (as has indeed happened in the course of the centuries) impose additional burdens on the believers above and beyond anything that has been stipulated in terms of law in the Qur'an or in the authentic commandments of the Prophet.
Wenn ich das richtig verstehe interpretiert Asad diese Ayat also dahingehend dass nach der Herabsendung des Qurans keine zusaetzlichen (willkuerlichen?) Gesetzt "dazuerfunden" werden sollten, da diese nur das Leben der Glaeubigen erschweren.
Dann wäre diese ganze im Koran ja nicht genannte Ritualisierung der Gebete, der Waschungen, der Speisevorschriften etc. vor allem eine unzulässige "dazuerfundene" willkürliche Erschwernis?
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Birtanem
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von Birtanem »

@ka, Du hattest schon den Smilie am Ende meines Postings bemerkt, oder?
Don't act like the hypocrite,
Who thinks he can conceal his wiles,
While loudly quoting the Qur'an.
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ka1960

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

Birtanem hat geschrieben:@ka, Du hattest schon den Smilie am Ende meines Postings bemerkt, oder?
Ja, aber es gibt hier soviele Smileys mit unterschiedlichsten Bedeutungen das ich mich mit der Interpretation phasenweise etwas schwer tue. :)
ka1960

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von ka1960 »

regina hat geschrieben:
iman07 hat geschrieben:................................................
Macht auch irgendwie Sinn....

Ich denke das mit dem "unangenehm" ist vielleicht auch teils wieder mal Sache der Uebersetzung. In Muhammad Asad's Uebersetzung steht "might cause you hardship". Und wieder die Fussnote dazu:
the above statement implies that the believers should not try to deduce "additional" laws from the injunctions clearly laid down as such by the Qur'an or by the Prophet, since this "might cause you hardship--that is, might (as has indeed happened in the course of the centuries) impose additional burdens on the believers above and beyond anything that has been stipulated in terms of law in the Qur'an or in the authentic commandments of the Prophet.
Wenn ich das richtig verstehe interpretiert Asad diese Ayat also dahingehend dass nach der Herabsendung des Qurans keine zusaetzlichen (willkuerlichen?) Gesetzt "dazuerfunden" werden sollten, da diese nur das Leben der Glaeubigen erschweren.
Dann wäre diese ganze im Koran ja nicht genannte Ritualisierung der Gebete, der Waschungen, der Speisevorschriften etc. vor allem eine unzulässige "dazuerfundene" willkürliche Erschwernis?
Vom Bilderverbot, das bekanntlich den Karikaturenstreit (mit weitreichenden Konsequenzen) ausgelöst hat, steht im Koran auch kein Wort.
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iman07
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von iman07 »

regina hat geschrieben:
Dann wäre diese ganze im Koran ja nicht genannte Ritualisierung der Gebete, der Waschungen, der Speisevorschriften etc. vor allem eine unzulässige "dazuerfundene" willkürliche Erschwernis?
Hm ja, das koennte man schon so interpretieren denke ich. Wobei die "Gegenseite" wahrscheinlich ja schon denkt dass diese ganzen Regelungen direkt von Quran oder Sunna abgeleitet wurden. Denn Asad sagt ja " in terms of law in the Qur'an or in the authentic commandments of the Prophet", also nicht rein Quran.
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malaika

Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von malaika »

regina hat geschrieben: Dann wäre diese ganze im Koran ja nicht genannte Ritualisierung der Gebete, der Waschungen, der Speisevorschriften etc. vor allem eine unzulässige "dazuerfundene" willkürliche Erschwernis?
So sehe ich das. :tuedeltue:
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Re: Frage zum Fragt-nicht-Vers (5:101)

Beitrag von Hayat_Intisar »

So sehe ich das auch.
Dieses ständige Nachfragen wegen Alltäglichkeiten, auch auf Internetseiten "Ich mache das so und so, ist das haram oder nicht?", das es ja schon immer gegeben hat (nicht umsonst haben sich ja die Rechtsschulen herausgebildet) erinnert mich schon lange an genau die Stelle im Quran, wo es um das Rind geht, das geopfert werden sollte.

Einfache, allgemeine Anweisungen, die durch das Nachfragen immer komplizierter und komplizierter wurden, so dass irgendwann sogar der eigentliche Sinn verloren geht.
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