Erstaunlicherweise scheint es zu diesem Thema noch keinen Thread zu geben, oder aber ich kann ihn nicht finden.
Mich nervt die seit einiger Zeit verstärkt die, insbesondere im Internet, verbreitete These, bestimmte Dinge im Qur'an ließen sich wissenschaftlich verifzieren. Zum Beispiel die Verse zur Entwicklung des Embryos. Da wird versucht, wissenschaftliche Tatsachen auf relativ schwammig formulierte Begriffe anzuwenden und somit die göttliche Herkunft des Qur'an zu beweisen.
Zum Beispiel:
die größten Wissenschaftler zum Qur'an
Der Qur'an über die Entwicklung des menschlichen Embryos
Zuerst einmal finde ich das aus Gründen, die wir auch schon in Diskussionen über "Allah"-Schriftzüge in Wassermelonen, Wolken etc. erwähnt haben, irgendwie bedenklich. Ich habe das Gefühl, da soll man zum Glauben gezwungen werden, indem quasi unterstellt wird, dass jemand, der die "wissenschaftlichen Wunder" des Qur'an nicht anerkennt, unbestreitbare wissenschaftliche Tatsachen und Erkenntnisse leugnet und somit unlogisch und irrational handelt.
Dabei finden sich im Qur'an selber viele Verse, die sagen, dass nur die Ungläubigen und Zweifler unwiderlegbare Beweise und Wunder verlangen. Und dass diejenigen, die kein Gottesbewusstsein haben, auch dann nicht glauben würden, wenn man ihnen unwiderlegbare Beweise vorlegt. (2:118, 6:8, 6:37, 8:32, 13:27, 17:90-93)
Sprich: Glauben ist nun einmal eine persönliche, spirituelle Erfahrung und nicht wissenschaftlich oder sonstwie erzwingbar.
Was mich weiterhin sehr kritisch stimmt, ist, dass Texte, in denen solche Dinge propagiert werden, in der Regel ziemlich unseriös vorgehen. Zum Beispiel wird immer wieder behauptet, dass niemand im siebten Jahrhundert Wissen über die Entwicklung des Embryos besessen hat, ergo: Die Beschreibungen im Qur'an können nur von Gott sein.
Ich bin weder Biologin, noch kenne ich mich in Embryologie aus. Aber ich denke, bestimmte Dinge waren damals durchaus bekannt, beispielsweise durch Beobachtungen an Tieren oder Fehlgeburten.
Weiterhin haben sich schon vor Muhammad griechische Philosophen wie Hippocrates, Aristoteles und Galen mit der Entwicklung des Embryos beschäftigt, und auch wenn ihre Erkenntnisse und Schlussfolgerungen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlerhaft sind, sind sie den Schilderungen, die man im Qur'an findet, doch recht ähnlich. Aristoteles hat beispielsweise Hühnereier und die Entwicklung eines Küken darin beobachtet und dementsprechend die verschiedenen Stadien der Entwicklung eines Hühnerembryos beschrieben.
Galen schrieb bereits im ersten Jahrhundert nach Christus:
"Über die äußere Membran (Chorion) nimmt der Embryo "Kontakt" auf mit dem mütterlichen Organismus, in welchen er sich mit seinen Blutgefäßen wie ein Baum in der Erde verzweigt."
(Mensch von Anfang an?: eine historische Studie zum Lebensbeginn …)
Ich halte es für möglich und wahrscheinlich, dass das Wissen der alten Griechen damals auch seinen Weg nach Arabien fand.
Was mich auch sehr bedenklich stimmt, ist, dass diese Texte meistens aus einer bestimmten Richtung stammen. Ich möchte nicht unterstellen, dass die westlichen Wissenschaftler, die solche Thesen unterstützen, gekauft wurden, aber es ist schon auffällig, dass die meisten von ihnen ihre Erkenntnisse in Saudi-Arabien gewonnen haben oder ihre Studien von Saudi-Geld finanziert wurden.
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Ein sehr interessanter kritischer Text (leider lang und auf Englisch) hierzu ist von einem muslimischen Wissenschaftler, Ziauddin Sardar, verfasst worden:
Between Two Masters: Qur'an or Science?
Mich würden eure Meinungen zu diesem Thema interessieren.
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