"Islam ist der neue Punk" ;)
"Islam ist der neue Punk" ;)
"Das Kopftuch entfaltet radikalere Wirkung als ein Dieter-Bohlen-Tattoo"
Harald Martenstein entdeckt im Islam den neuen Punk. Für Mädchen sei das Kopftuch inzwischen das beliebteste Provokationselement.
Was ist eigentlich der umstrittenste Artikel gewesen, den ich in letzter Zeit geschrieben habe? Ich habe den Islam verteidigt. In dem Artikel stand sinngemäß, dass man in einem freien Land auch das Recht besitzen sollte, Muslim zu sein. Man darf ja auch Leistungssport betreiben, obwohl es ungesund und gefährlich ist. Prostitution ist ebenfalls erlaubt. Ist Prostitution wirklich so viel besser als der Islam?
Außerdem kann man nicht alles verbieten. Wenn sie heute den Islam verbieten, dann verbieten sie morgen womöglich den Alkohol, und das will ich nicht.
Echt, viel mehr habe ich nicht gesagt, es war nicht gerade der tiefgründigste Text meines Lebens. Solch eine Fatwa an bösartigen Zuschriften hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht bekommen. Wenn es dir bei uns nicht gefällt, dann geh doch nach Mekka! Sogar Henryk M. Broder schrieb eine flammende Entgegnung – kein Witz, das ist wirklich passiert.
Ein paar Wochen danach ging ich in die Humboldt-Uni zu einem Vortrag des FAZ- Feuilletonchefs. Ich dachte, als Verteidiger des Islams habe ich ein Thema gefunden, bei dem ich das Monopol besitze und die kulturelle Hegemonie, ich werde Skandalautor. Ein Mann meines Alters kann ja wohl kaum mit sexuellen Themen zum Skandalautor avancieren, so was will man nur von knusprigen jungen Frauen lesen. Aber die FAZ ist inzwischen leider auf dem gleichen Trip. Der FAZ- Feuilletonchef sagte in seinem Vortrag, dass in allen Religionen nun einmal Ideen vorkämen, die dem Geiste des Grundgesetzes widersprächen. Wenn eine Frau erkläre, dass sie sich dem Mann unterordnen wolle, denn dies sei Gottes Wille, dann solle sie das halt machen. Im Saal saßen zahlreiche junge Frauen mit Kopftuch, die sehr gut Deutsch sprachen, offenbar Studentinnen.
Am nächsten Tag telefonierte ich mit einer alten Freundin. Sie ist links und Feministin. Oh ja, einige meiner besten Freundinnen sind Feministinnen! Ich erzählte über die zahlreichen jungen Frauen mit den Kopftüchern.
Sie fragte, ob ich denn wirklich nicht Bescheid wisse. Das Kopftuch sei bei Mädchen inzwischen das beliebteste Provokationsinstrument, auch bei Mädchen ohne Migrationshintergrund. Das Kopftuch entfalte bei den Eltern und den Lehrern eine viel radikalere Wirkung als, sagen wir mal, ein Tattoo mit dem Porträt von Dieter Bohlen oder ein Irokesenhaarschnitt. Man müsse sich nur einmal einen durchschnittlichen Post-68er-Haushalt vorstellen, Vollbild Manufactum, und morgens sitzt die 16-jährige Tochter auf einmal mit Kopftuch am Frühstückstisch und verlangt, zwangsweise mit ihrem Cousin verheiratet zu werden. Da fällt doch die Mutter auf die Knie und fleht ihre Tochter an, sich stattdessen lieber ein Intimpiercing machen zu lassen.
»Islam«, sagte die Freundin, »ist der neue Punk. An den Unis werden es immer mehr.«
Während es aber der deutsche Punk nur zu Campino als öffentlich wahrnehmbarer Identifikationsfigur gebracht hat, besitzen heute schon ein deutscher Parteivorsitzender (Cem Özdemir), einer der besten deutschen Autoren (Feridun Zaimoglu), eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen (Sibel Kekilli) und einer der wichtigsten deutschen Regisseure (Fatih Akin) muslimische Hintergründe. Falls wir demnächst, wie mein Kollege Broder vorhersagt, eine islamische Republik haben, dann werden sie mich, als einen ihrer ersten Unterstützer und alten Punker, ganz sicher zum Revolutionsrichter machen. Ich werde wie mein Vorbild, der Marquis de Sade, endlich mal all meine Gegner nach Herzenslust freisprechen können.
http://www.zeit.de/2010/27/Martenstein
Harald Martenstein entdeckt im Islam den neuen Punk. Für Mädchen sei das Kopftuch inzwischen das beliebteste Provokationselement.
Was ist eigentlich der umstrittenste Artikel gewesen, den ich in letzter Zeit geschrieben habe? Ich habe den Islam verteidigt. In dem Artikel stand sinngemäß, dass man in einem freien Land auch das Recht besitzen sollte, Muslim zu sein. Man darf ja auch Leistungssport betreiben, obwohl es ungesund und gefährlich ist. Prostitution ist ebenfalls erlaubt. Ist Prostitution wirklich so viel besser als der Islam?
Außerdem kann man nicht alles verbieten. Wenn sie heute den Islam verbieten, dann verbieten sie morgen womöglich den Alkohol, und das will ich nicht.
Echt, viel mehr habe ich nicht gesagt, es war nicht gerade der tiefgründigste Text meines Lebens. Solch eine Fatwa an bösartigen Zuschriften hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht bekommen. Wenn es dir bei uns nicht gefällt, dann geh doch nach Mekka! Sogar Henryk M. Broder schrieb eine flammende Entgegnung – kein Witz, das ist wirklich passiert.
Ein paar Wochen danach ging ich in die Humboldt-Uni zu einem Vortrag des FAZ- Feuilletonchefs. Ich dachte, als Verteidiger des Islams habe ich ein Thema gefunden, bei dem ich das Monopol besitze und die kulturelle Hegemonie, ich werde Skandalautor. Ein Mann meines Alters kann ja wohl kaum mit sexuellen Themen zum Skandalautor avancieren, so was will man nur von knusprigen jungen Frauen lesen. Aber die FAZ ist inzwischen leider auf dem gleichen Trip. Der FAZ- Feuilletonchef sagte in seinem Vortrag, dass in allen Religionen nun einmal Ideen vorkämen, die dem Geiste des Grundgesetzes widersprächen. Wenn eine Frau erkläre, dass sie sich dem Mann unterordnen wolle, denn dies sei Gottes Wille, dann solle sie das halt machen. Im Saal saßen zahlreiche junge Frauen mit Kopftuch, die sehr gut Deutsch sprachen, offenbar Studentinnen.
Am nächsten Tag telefonierte ich mit einer alten Freundin. Sie ist links und Feministin. Oh ja, einige meiner besten Freundinnen sind Feministinnen! Ich erzählte über die zahlreichen jungen Frauen mit den Kopftüchern.
Sie fragte, ob ich denn wirklich nicht Bescheid wisse. Das Kopftuch sei bei Mädchen inzwischen das beliebteste Provokationsinstrument, auch bei Mädchen ohne Migrationshintergrund. Das Kopftuch entfalte bei den Eltern und den Lehrern eine viel radikalere Wirkung als, sagen wir mal, ein Tattoo mit dem Porträt von Dieter Bohlen oder ein Irokesenhaarschnitt. Man müsse sich nur einmal einen durchschnittlichen Post-68er-Haushalt vorstellen, Vollbild Manufactum, und morgens sitzt die 16-jährige Tochter auf einmal mit Kopftuch am Frühstückstisch und verlangt, zwangsweise mit ihrem Cousin verheiratet zu werden. Da fällt doch die Mutter auf die Knie und fleht ihre Tochter an, sich stattdessen lieber ein Intimpiercing machen zu lassen.
»Islam«, sagte die Freundin, »ist der neue Punk. An den Unis werden es immer mehr.«
Während es aber der deutsche Punk nur zu Campino als öffentlich wahrnehmbarer Identifikationsfigur gebracht hat, besitzen heute schon ein deutscher Parteivorsitzender (Cem Özdemir), einer der besten deutschen Autoren (Feridun Zaimoglu), eine der bekanntesten deutschen Schauspielerinnen (Sibel Kekilli) und einer der wichtigsten deutschen Regisseure (Fatih Akin) muslimische Hintergründe. Falls wir demnächst, wie mein Kollege Broder vorhersagt, eine islamische Republik haben, dann werden sie mich, als einen ihrer ersten Unterstützer und alten Punker, ganz sicher zum Revolutionsrichter machen. Ich werde wie mein Vorbild, der Marquis de Sade, endlich mal all meine Gegner nach Herzenslust freisprechen können.
http://www.zeit.de/2010/27/Martenstein
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Psalm 95:6 Kommt, laßt uns anbeten und uns neigen, laßt uns niederknien vor dem HERRN, der uns gemacht hat!
Die Auslegung der Schrift ist nicht in erster Linie abhängig von der Theologie, sondern vom Charakter. (Hans Peter Royer)
Die Auslegung der Schrift ist nicht in erster Linie abhängig von der Theologie, sondern vom Charakter. (Hans Peter Royer)
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Hmmm...klar, das KT ist ein politisch-religiöses Symbol, insbesondere unter jungen Musliminnen geworden. Nicht ausschließlich, aber schon eine große Anzahl.
Auch wenn ich versuchen wollte, Liebe zu beschreiben, wenn ich sie erfahre, bin ich sprachlos. - Rumi
- Judy
- Liebelein
- Beiträge: 4458
- Registriert: Fr 2. Jan 2004, 22:45
- Wohnort: Hinter den Sieben Bergen bei einem Zwerg
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Also bei einigen Konvertitinnen die ich kenne denke ich auch, dass dieser Gedanke der Provokation und der bewussten Abgrenzung von der Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielt...
Wa aleikom salam, Judy
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"Wir sind alle bestimmt zu leuchten, wie es die Kinder tun." Nelson Mandela
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Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
tja
schöner und lustiger Artikel. Die große Anzahl möcht ich aber bezweifeln
schöner und lustiger Artikel. Die große Anzahl möcht ich aber bezweifeln
"I wish religion would reach politicians, but I don't wish the religious reach political life"
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
ich kann den Artikel irgendwie schwer einschätzen....
"Ich will Wasser in die Hölle gießen und Feuer ins Paradies legen, damit diese beiden Schleier verschwinden und niemand mehr Gott aus Furcht vor der Hölle oder in Hoffnung aufs Paradies anbete, sondern nur noch um Seiner ewigen Schönheit Willen" (Rabia al-Adawiyya).
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
@filfla: über welche Punkte grübelst Du?
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Also ich trage das KT garantiert nicht zur Provokation. Wenn ich es nicht tragen würde, wäre mein Leben um einiges "leichter" - meine Familie würde wohl meine Religion eher akzeptieren, wenn sie noch "normal" mit mir essen gehen könnte und auch so würde ich weniger "angestarrt" werden und mit Vorurteilen konfrontiert werden. Aber ich MÖCHTE es tragen. Denn ich trage es einzig und allein für Allah. Aber ich muss auch zugeben, dass ich erstmal nicht wüsste, was genau ich kontern könnte, wenn einer zu mir sagen würde "der Islam ist bei vielen der neue Punk" - denn ich kann nicht beurteilen aus welchen Gründen sich das KT an Unis "vermehrt". Ist es Überzeugung? Mode? Trend? So sehr ich mir auch wünsche, dass unter jedem KT ein kluger Kopf sitzt, der an Allah glaubt und ihm dienen möchte, kann ich mir durchaus vorstellen, dass es Mädels gibt, die das "cool" finden "jetzt erst recht" auf "hardcore-Muslima" zu machen und Niqab tragen möchten oder so. Aber da sind auch die Eltern in der Pflicht, den jungen Menschen da Halt zu geben usw.
Da fällt mir noch ne Anekdote ein (von einem Vater einer konvertierten deutschen Muslima, der sie zu einem Treffen mit einer anderen Konvertitin fuhr): "Jetzt müsst ihr euch wohl verbrüdern wie im Wilden Westen mit den Kopftüchern..."
Ob Punk, Widerstand, Revolution oder keine Ahnung was - wichtig ist der Glaube an Allah, wenn der fehlt und es nur noch zur Mode oder Provokation wird, dann ist klar, warum der Staat die armen "Kopftuchmädchen" "retten" will . Den Mädels ist sicher nicht bewusst, dass sie es den freiwilligen oder pflichtbewussten KT-Trägerinnen nur noch schwerer machen in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Rahmah
Da fällt mir noch ne Anekdote ein (von einem Vater einer konvertierten deutschen Muslima, der sie zu einem Treffen mit einer anderen Konvertitin fuhr): "Jetzt müsst ihr euch wohl verbrüdern wie im Wilden Westen mit den Kopftüchern..."
Ob Punk, Widerstand, Revolution oder keine Ahnung was - wichtig ist der Glaube an Allah, wenn der fehlt und es nur noch zur Mode oder Provokation wird, dann ist klar, warum der Staat die armen "Kopftuchmädchen" "retten" will . Den Mädels ist sicher nicht bewusst, dass sie es den freiwilligen oder pflichtbewussten KT-Trägerinnen nur noch schwerer machen in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Rahmah
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Ich denke mal, dass diese Form von Provokation nicht unbedingt bewusst geschieht, so nach dem Motto "Jetzt ziehe ich mal ein KT an, um meine Eltern zu provozieren", sondern dass die meisten Mädels auch denken / behaupten, sie tragen es aus Pflichtbewusstsein / für Gott etc.Rahmah hat geschrieben:Den Mädels ist sicher nicht bewusst, dass sie es den freiwilligen oder pflichtbewussten KT-Trägerinnen nur noch schwerer machen in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Und warum glaubst du, dass sie es anderen schwerer machen, akzeptiert zu werden? Inwiefern?
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- Forums-Mufti
- Beiträge: 1741
- Registriert: So 5. Jul 2009, 15:17
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Ich fand den Artikel witzig und erfrischend. Es war keine Wertung für oder gegen den Islam, sondern er hat den Umgang mit damit kommentiert.
Und sowohl jede Religion und als jede Weltanschauung kann dem GG in Punkten widersprechen. Es kommt drauf an wie es gelebt wird ^^
Lach* und manchmal, wenn es mir mit den Reaktionen/ Klischees der Menschen zuviel wird, möchte ich mit dem KT wirklich provozieren und die Leute reizen ^^
Und sowohl jede Religion und als jede Weltanschauung kann dem GG in Punkten widersprechen. Es kommt drauf an wie es gelebt wird ^^
Lach* und manchmal, wenn es mir mit den Reaktionen/ Klischees der Menschen zuviel wird, möchte ich mit dem KT wirklich provozieren und die Leute reizen ^^
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Punk ist ja nicht vordergründig Spaß sondern eine Form des Protests gegen als überkommen empfundene Wertesysteme, verbunden mit einer gewissen Provokation. Ich finde schon, dass Kopftuch Punk sein kann.
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Ich finde den Artikel super und er regt trotz der eher "lustigen" Darstellung doch ein bisschen zum Nachdenken an
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Das verstehe ich nichtRahmah hat geschrieben: Ob Punk, Widerstand, Revolution oder keine Ahnung was - wichtig ist der Glaube an Allah, wenn der fehlt und es nur noch zur Mode oder Provokation wird, dann ist klar, warum der Staat die armen "Kopftuchmädchen" "retten" will . Den Mädels ist sicher nicht bewusst, dass sie es den freiwilligen oder pflichtbewussten KT-Trägerinnen nur noch schwerer machen in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.
Gerade wenn das Kopftuch aus modischen Gründen oder zur Provokation getragen wird, gibt es für Außenstehende gar keinen Grund zum "Retten". Schließlich tragen viele Leute irgendwelche auffälligen Sachen, weil sie sie schick finden oder damit ein bisschen provozieren wollen, gerade Jugendliche. Beim Kopftuch kommt der religiöse Aspekt dazu, der den Leuten oft fremd und unheimlich ist.
Re: "Islam ist der neue Punk" ;)
Ich glaube irgendwie nicht dass das Kopftuch zur Provokation getragen wird, sondern dass es einfach immer mehr provoziert. So wird man wohl ungewollt zum Rebell....und die naechste Generation, die es so gelernt hat, vielleicht auch ganz bewusst, so nach dem Motto, will ich meine Religion leben und zeigen, muss ich den Stempel Rebell mit in Kauf nehmen... "Bring it on!"
Echt ist das so?
Hmpf
Echt ist das so?
Hmpf