
Vor ein paar Tagen äußerte hier jemand, dass er den Eindruck hat, dass der Islam hier nun in homöopathischen Dosen vorkäme.

Ich muss gestehen, erstmal "wollte" ich mich darüber aufregen, aber dann habe ich den Begriff "homöopathische Dosen" von seinem Sinngehalt her betrachtet und gefunden, dass er sogar sehr zutreffend sein könnte. Das geht mir jetzt schon einige Tage im Kopf herum und ich wollte euch an meinen Gedankengängen teilhaben lassen.

Üblicherweise meint jemand, wenn er von "homöopathischen Dosen" spricht, dass etwas verschwindend gering ist, sehr wenig, sehr klein.
Aber eigentlich sagt es doch etwas ganz anderes aus.
Nach der homöopathischen Lehre entsteht, jetzt mal sehr vereinfacht formuliert, ein sehr wirksames, tiefgreifendes Mittel, indem ich den entsprechenden Stoff verdünne und durch Schütteln potenziere. Je öfter ist dies tue, um so feiner, mehr auf die geistige Ebene wirkende, Potenzen entstehen.
Durch diese Methode ist es z.B. möglich Stoffe, die im Urzustand giftig sind, ohne Gefahr, aber zu einem großen Segen, zu verwenden. Z.B. Arsenicum. Welch ein wertvolles Mittel in der Homöopathie! Oder es kann aus Stoffen ein tiefgreifendes Mittel gewonnen werden, bei dem man es nie vermuten würde, z.B. aus Salz Natrium muriaticum, das tiefe, lang zurückliegende Verletzungen und Verhärtungen emotionaler Art ausheilen kann. Calcium carbonicum etc.
Was also passiert ist, dass durch Verarbeitung, Bewegung (das Verschütteln) etwas entsteht, was nicht der Urstoff ist, aber was sein tiefstes Wesen zeigt, man könnte sagen, dass, was er in Wirklichkeit ist, sein Geist ist, wenn man das Erdenhaftige, die Materie beseitigt.
Das führt dazu, dass je nach Potenz im Wasser nicht mehr unbedingt ein Molekül nachweisbar ist, nichts mehr offensichtlich ist, aber umso mehr der Geist wirken kann, so wirkungsvoll ist, dass sensible Menschen so ein Fläschchen nur in die Hand zu nehmen brauchen, damit es eine Reaktion hervorruft. Aber jemand, der von außen drauf schaut wird meinen es wäre "nur" Wasser. Nichts drin, ohne Inhalt.
Und manchmal habe ich das Gefühl, dass es dies ist, was wir, wahrscheinlich eher unbewusst, durch unsere ganz eigenen Auseinandersetzung mit dem Quran und theologischen Themen hier, bewirken.
So viele unserer Gespräche gehen über den "Geist" des Islam, des Qurans. Das Bemühen hinter die reinen Worte zu schauen, zu erfassen, nicht nur was gesagt wurde, sondern auch was damit gemeint sein könnte, was denn die Absicht dahinter ist.
Es scheint mir, als würden wir eben auch versuchen das Erdenhaftige (in dem Fall, die von Subjektivität und Traditionen, Umstände geprägten Interpretationen, Auslegungen; die Traditionen, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind) etwas zu entfernen um den Geist zu befreien, zum Wirken zu bringen.
Das klingt jetzt, wenn man es in Worten ausschreibt, irgendwie sehr hochtrabend, vielleicht sogar arrogant. Aber so meine ich es nicht. Das ist auch eher so ein Gefühl von mir, das schwer in Worte zu fassen ist.
Ich kann nur sagen, dass ich, seit dem ich mir erlaube so zu denken und auch so zu leben, eine unheimliche Leichtigkeit verspüre, eine Befreiung. Und ich finde, ein Glaube sollte innerlich befreien, sollte einen sich leicht fühlen lassen.

Und so mag es sein, dass nicht so viel Wert auf "korrekte" islamische "Äußerlichkeiten" wert gelegt wird, aber dies heißt nicht, dass nicht das Wesen, wofür diese Äußerlichkeiten stehen, nicht vorhanden ist.
Was hilft ein "korrekter" islamischer Gruß, wenn er nicht von Herzen kommt? Wenn keine wirkliche Liebe, Achtung dahinter steckt?
Das innere Wesen, darum geht es. Auf das Äußere zu achten, das muss kein Hinderungsgrund sein. Es geht sicher beides.
Mir ist nur aufgefallen, dass dort, wo am stärksten darauf geachtet wird, dass diese "Äußerlichkeiten" stimmen, in der Regel am wenigsten Liebe, Herzlichkeit und wirklich erlebte und gelebte Spiritualität vorherrschen.
Ich muss da immer an einen Ausspruch von Pestalozzi denken: "In den Abgründen des Rechts findest du immer die größte Sorgfalt für den Schein des Rechts."
Selbiges habe ich eben auch im Bereich des Glaubens beobachtet und erfahren.
Und wenn ich dies alles bedenke, so empfinde ich eine Aussage, dass hier der Islam nur in "homöopathischen Dosen" vorkommt, als zutreffend und als ein Kompliment.

Ja, vielleicht schaffen wir es ein wenig das Wesen des Islam zum Leuchten zu bringen, auf dass er in uns und in anderen etwas Positives bewirkt, unsere Herzen berühren kann, uns Leichtigkeit geben kann und nicht Schwere.
