4:59 - gehorche Allah, dem Gesandten und euren Fuehrern

[iman07]

Selam miteinander,

ich wuerde gerne eure Meinung zu 4:59 hoeren:

4:59 O die ihr glaubt, gehorchet Allah und gehorchet dem Gesandten und denen, die Befehlsgewalt unter euch haben. Und wenn ihr in etwas uneins seid, so bringet es vor Allah und den Gesandten, so ihr an Allah glaubt und an den Jüngsten Tag. Das ist das Beste und am Ende auch das Empfehlenswerteste.

Vor allem zu dem Teil "und denen die Befehlsgewalt unter euch haben". Wer genau ist damit gemeint?
Meine eigene Interpretation war bis dato immer dass damit die Legislative (also die Gesetzgebung im jeweiligen Land) gemeint ist. Nun hatte ich letzthin eine Diskussion mit einem konservativeren Muslim, der meinte dass damit "islamische Fuehrer" gemeint sind. Nun frag ich mich ob man das 100% von der Hand weisen kann?

Meine ueberaus geschaetzte Asad Koranuebersetzung sagt in der Fussnote zu "denen die Befehlsgewalt unter euch haben": "from among the believers", also Muslime die Befehlsgewalt haben? Das kann aber doch nicht sein oder? Das wuerde dann ja heissen dass ein Muslim Nicht-Muslime einfach ignorieren kann.

Hat jemand eine Ahnung ob es dazu noch andere Quranverse oder Ahadith gibt?

[adaia]

Zu dieser Aya gibt es im Tafsir von SKD Bavaria 4 verschiedene Kommentare:

Qutb:

Der Weg des Imans und der grundlegenden Ordnung besteht darin, dass man dem Allmächtigen Allah gehorcht und Seinem Gesandten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, folgt, indem man sich an seiner Sunnah (Lebensgewohnheit) orientiert, und dass man denen folgt, die unter den Mu’mins Verantwortung tragen und sich für die Verwirklichung der Aqidach und Handlungsnormen einsetzen.

Juusuf 'Allii:

„Ulu-l-amr“: diejenigen die Autorität oder Verantwortung oder Entscheidungsgewalt haben. Alle endgültige Autorität liegt bei Allah. Mutaqi leiten ihre Autorität allein von Ihm her. Da der Islam nicht scharf zwischen sakralen und säkularen Angelegenheiten unterscheidet, wird von einer gewöhnlichen Regierung erwartet, dass sie die Gerechtigkeit vertritt und die Stelle eines gerechten Imam einnimmt; eine solche Autorität sollen wir respektieren und befolgen, sonst ist weder Ordnung noch Disziplin möglich. Wo es in der praktischen Wirklichkeit zu einem Bruch zwischen Gesetz und Moral, zwischen säkularen und religiösen Anliegen gekommen ist, wie es heute in den meisten Ländern der Fall ist, for­dert der Islam dennoch, weltliche Macht in Gerechtigkeit auszuüben, und fordert unter dieser Bedingung zum Gehorsam gegenüber solcher Autorität auf.

Darjabadi:

Beachte, dass Gehorsam menschlichen Verantwortlichen gegenüber keinesfalls dem Gehorsam gegenüber Allah und Seinem Gesandten, Allahs frieden und Segen auf ihm gleichgestellt ist. Im Islam gibt es keine solche Institution wie eine "unfehlbare Kirche, die vor Irrtümern geschützt und vom Heiligen Geist geleitet ist". Das Recht, Verantwortlichen zu widersprechen, impliziert selbst für das unbedeutendste Mitglied der Gemeinschaft freie Meinungsbildung im vollen Umfang.

Siddiqi:

Der Begriff „Ulu-l-Amr“ bezieht sich nicht nur, wie oft angenommen wird, auf Regierende eines islamischen Staates, sondern umfasst auch alle solche Führungskräfte der muslimischen Gemeinschaft, die einen Einfluss auf ihre Angelegenheiten ausüben, seien es führende Denker und Autoren, religiöse Gelehrte, politische Führer, Richter oder Vorsteher örtlicher sozialer, kultureller, städtischer oder lokaler Organisationen. Solange diese Allah und Seinem Gesandten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, gehorchen, ist es Pflicht der Muslime, ihnen zu folgen. Sobald sie aber in Konflikt mit den Geboten Allahs und Seines Gesandten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, geraten, müssen die Muslime ihnen den Gehorsam verweigern. Der Prophet, Allahs Frieden und Segen auf ihm, sagte ausdrücklich: "Es gibt keinen Gehorsam gegenüber geschaffenen Wesen, wenn damit Ungehorsam dem Schöpfer gegenüber verbunden ist."

[iman07]

Selam adaia,

danke fuers Reinstellen!

Hm, 3 von 4 Kommentaren beziehen sich dann sozusagen auf "muslimische Fuehrungskraefte", nur Darjabadi sagt eigentlich was ich immer dachte - dass es im Islam keine unfehlbaren Fuehrer gibt und ich diesen deshalb nicht folgen muss

[adaia]

Ich finde, dass auch Juusuf 'Allii deutlich sagt, dass man den weltlichen (auch nicht-muslimischen) Autoritäten gehorchen muss.

[iman07]

Ich finde, dass auch Juusuf 'Allii deutlich sagt, dass man den weltlichen (auch nicht-muslimischen) Autoritäten gehorchen muss.

Ja das stimmt (ich kann mich erinnern dass diese Ayat in diesem Kontext öfter zitiert wird). ich denke auch dass sie auf jeden Fall aussagt dass man der Gesetzgebung des jeweiligen Landes unterliegt und diese respektieren sollte. Das steht für mich eigentlich ausser Frage.

Was mir Schwierigkeiten bereitet ist die Interpretation

Der Begriff „Ulu-l-Amr“ bezieht sich nicht nur, wie oft angenommen wird, auf Regierende eines islamischen Staates, sondern umfasst auch alle solche Führungskräfte der muslimischen Gemeinschaft, die einen Einfluss auf ihre Angelegenheiten ausüben, seien es führende Denker und Autoren, religiöse Gelehrte, politische Führer, Richter oder Vorsteher örtlicher sozialer, kultureller, städtischer oder lokaler Organisationen. Solange diese Allah und Seinem Gesandten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, gehorchen, ist es Pflicht der Muslime, ihnen zu folgen.

Da ich eben immer dachte es gibt im Islam solche Führungskräfte in dem Sinne gar nicht
Bzw frag ich mich wie das in der Praxis ausschauen soll, allen Muslimen die einen führenden Einfluss haben zu folgen/gehorchen. Die sind sich doch erstens nicht alle immer einig und zweitens eben nicht unfehlbar.
Bzw würde das dann ja auch heissen dass ich wirklich die ganzen Fatwas usw ernstnehmen muss/nicht kritisieren darf weil ich ihnen folgen muss.

[UmmAbdurrahman]

Und das geht dann ja wohl gaar nisch, gell?!
Da könnte man ja gar nicht mehr machen worauf man grade Lust hat.
*voll-erschreckt-guck*

[Birtanem]

Hast Du außer ironischen Spitzen auch etwas sinnvolles zu der Diskussion beizutragen?

[UmmAbdurrahman]

Bismillah

nee, im Moment nicht, sorry.

[malaika]

Da könnte man ja gar nicht mehr machen worauf man grade Lust hat.

Och nö ...

UmmAbdurrahman, vielleicht machst du dir mal die Mühe, hier ein wenig querzulesen. Dann wirst du feststellen, dass der Vorwurf, diejenigen, die sich nicht nach Fatwas und Gelehrten richten, hätten einfach nur keine Lust auf Selbstbeschränkung / Regeln und würden nur ihrem Nafs folgen, schon -zig Mal von übereifrigen Neuzugängen gebracht wurde, aber überhaupt nicht zutreffend und unsinnig ist. Sich selber Gedanken zu machen, gegen den Mainstream anzugehen, keine Autorität zu haben, die das eigene Tun absegnet, ist nämlich in den meisten Fällen überhaupt nicht bequem, sondern anstrengend und erfordert eine ganze Menge Mut.

Es ist einfach ermüdend, wenn immer wieder das gleiche Argument gebracht wird, obwohl das schon unzählige Male durchgekaut wurde. Ich fände es respektvoller, sich mit den bereits geführten Diskussionen mal ernsthaft auseinanderzusetzen, anstatt ironische Spitzen und Seitenhiebe auszuteilen.

[UmmAbdurrahman]

Bismillah

Aber der Mainstream ist es doch, der sagt "jeder macht wasser will, Alllah verzeiht doch eh alles"
Oder wir zwei kennen echt einen total unterschiedlichen Mainstream.

Ich denk schon selbst nach und lauf nicht einfach doof hinter jedem her, der sich Gelehrter nennt. Und man wird die Argumente ja mal in Frage stelllen dürfen, da ja hier auch nicht immer so gaaanz sachlich und objektiv diskutiert wird.

Meine Äußerungen sind auch ein Versuch zum nnachdenken anzuregen. Kann es nicht sein, dass jemand selber nachdenkt, sich ALLE Meinungen anschaut, reflektiert und dann zu dem Schluss kommt, dass es manchmal besser ist, dem zu folgen (nicht blind!), der mehr Wissen hat? Dabei achtet man natürlich drauf, wie derjenige sein Wissen in Taten umsetzt, ob seine Worte mit seinem Handeln übereistimmen, ob man das mit dem eigenen Gewissen und Herzen vereinbaren kann und ob dieses Paket dann in das persönliche Religionsverständns passt.

Jetzt sag bitte nicht: "Nein, kann nicht sein"

[noor42]

Salam,
möchte auch gerne noch meinen Senf dazu geben.
Für mich ist es richtig, sich im Islam zu bilden und sich die Themen aus verschiedenen Blickwinkeln anzusehen. Das ist ein Prozeß, der Zeit braucht und das Ergebnis wird zuweilen auch wieder über Bord geworfen, wenn wir uns weiter entwickeln, neue Erfahrungen machen und dann Dinge vielleicht anders sehen. Lebenslanges Lernen und Entwicklung also. Auch die Meinung der Gelehrten ist wichtig, aber es gibt eben sehr viele frauenfeindliche Fatwas und Überlieferungen. Wenn ich sowas lese, fängt eine rote Alarmlampe in meinem Kopf an zu blinken und mein Bauch sagt mir (Ja, wir kommunizieren!), dass das nicht so von Allah und unserem Propheten gedacht war. Ich bin mir ganz sicher, dass der Islam, unsere Religion, eine wunderschöne und vor allem Gleichheit anstrebende Wahrheit enthält, auch wenn die Praxis in vielen Ländern anders aussieht.
Um zusammen zu fassen:
Gelehrtenmeinungen sind wichtig zur eigenen Meinungsbildung, aber dazu gehört ebenfalls:
Gehirn (Nach dem Konvertieren nicht abschalten, bitte), Herz und auch ..........Bauch!!!!
Ich hoffe, ich habe niemanden beleidigt.

Wasalam, Noor42

[UmmAbdurrahman]

Bismillah

Gelehrtenmeinungen sind wichtig zur eigenen Meinungsbildung, aber dazu gehört ebenfalls:
Gehirn (Nach dem Konvertieren nicht abschalten, bitte), Herz und auch ..........Bauch!!!!
Ich hoffe, ich habe niemanden beleidigt.

So ähnlich hab ich meine Methode der Meinungsfindung vorhin in einem anderen Thema auch beschrieben - aber irgendwie kommen meine Worte hier nicht so an, wie sie gemeint sind.

*gelbeSeiten nach Kommunikationstrainerin durchsuch*

[Beate]

Aber der Mainstream ist es doch, der sagt "jeder macht wasser will, Alllah verzeiht doch eh alles"

Da hast du leider etwas Wesentliches von Grund auf missverstanden.
Hier sagt niemand, dass er mache, was er will, sondern dass er mache, was er für richtig hält!
Aber natürlich kann es trotzdem passieren, dass man Fehlentscheidungen trifft. Manchmal erkennt man das erst hinterher, wenn man selbstkritisch ist und sich immer wieder hinterfragt.
Und möge Gott uns unsere Fehler verzeihen.

[Judy]

Bismillah

Gelehrtenmeinungen sind wichtig zur eigenen Meinungsbildung, aber dazu gehört ebenfalls:
Gehirn (Nach dem Konvertieren nicht abschalten, bitte), Herz und auch ..........Bauch!!!!
Ich hoffe, ich habe niemanden beleidigt.

So ähnlich hab ich meine Methode der Meinungsfindung vorhin in einem anderen Thema auch beschrieben - aber irgendwie kommen meine Worte hier nicht so an, wie sie gemeint sind.

*gelbeSeiten nach Kommunikationstrainerin durchsuch*

Salam aleykum,

dann haben wir hier im Grunde den gleichen Ansatz zur Meinungsbildung, den Du verfolgst. Wenn man dannach geht kann es allerdings durchaus passieren, dass man zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt. Das ist alles.
Daher verstehe ich nicht, warum Du uns unterstellst, dass wir diesem Grundsatz hier folgen würden:

"jeder macht wasser will, Alllah verzeiht doch eh alles"

Ich gehe prinzipiell immer erstmal von den klassischen Gelehrtenmeinungen aus, wenn ich mich mit etwas beschäftige und mache nicht einfach was ich will

Und vor allem frage ich mich, in welcher ummah du bisher unterwegs warst wenn du denkst, dass die Mehrheit der Muslime so denken, denn bisher sind mir in der Masse eher Menschen begegnet, die sich eben besonders eng an Gelehrtenmeinungen ausrichten, selbst wenn diese im Widerspruch zum Koran stehen.

Aber der Mainstream ist es doch, der sagt "jeder macht wasser will, Alllah verzeiht doch eh alles"
Oder wir zwei kennen echt einen total unterschiedlichen Mainstream.

Der Mainstream-islam, den ich kenne, scheint tatsächlich ein völlig anderer zu sein, wie der den Du kennst

[UmmAbdurrahman]

lol

Der "mainstream" den ich kenne, besteht aus geborenen Muslimen, die sich gar nicht über ihre Religion informieren, weil sie ja eh schon Muslim sind. Und die sagen halt, dass es reicht ein gutes Herz zu haben.

Ich bin ja auch nicht auf Konfrontation aus, ich sage meinen Standpunkt und schaue mir die der anderen auch an. Wenn ich eines Besseren belehrt werde, ändere ich gern meine Ansichten. Das ganze Leben ist doch ein stetiger Lernprozess.