Das Fasten in heutiger Zeit
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Üblicherweise herrscht ein strenger Umgang mit der Fastenpflicht. Orthodoxe Gelehrte erlauben nur in Fällen offensichtlicher grober Schädigung der Gesundheit ein Unterlassen des Fastens. Selbst Schwangeren und Stillenden empfiehlt man, es doch wenigstens mit dem Fasten zu versuchen und zu schauen, ob es wirklich der Schwangerschaft oder dem Stillen schadet. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Verdienst, den man durch das Fasten erwirbt, sehr groß ist. Siehe dazu folgende Hadithe:
Bei dem, in dessen Hand die Seele von Muhammad ist, der Atem desjenigen, der fastet, ist bei Allah angenehmer als der Duft von Moschus. Der Fastende hat zwei Freuden: Wenn er sein Fasten bricht, erholt er sich, und wenn er seinem Herrn gegenüber tritt, freut er sich über sein geleistetes Fasten."
(Abu Hureira, Muslim)Sahl, Allahs Wohlgefallen auf ihm, berichtete, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: „Es gibt im Paradies ein Tor, das Ar-Rayyan * heißt, durch das die Fastenden am Tage der Auferstehung eintreten werden, und kein anderer außer ihnen wird hindurch eintreten. (An jenem Tage) wird ausgerufen: „Wo sind die Fastenden?“ Da stehen diese dann auf, und sonst kein anderer außer ihnen wird hineintreten. Wenn sie darin sind, wird das Tor geschlossen, und danach tritt keiner mehr durch dieses ein.“
Sahih Al-BucharyyAngesichts der langen Fastenphase insbesondere im Sommer (wo sie bis zu 18 Stunden dauern kann) und der veränderten Lebensumstände in unserer heutigen Zeit, stellt sich die Frage, ob ein etwas m enschenfreundlicherer Umgang mit der Fastenpflicht mit dem Koran vereinbar ist.
Anzumerken sei dabei, dass der Prophet selbst ausschließlich in den Wintermonaten den Ramadan gefastet hat. Der erste Ramadan, den er gefastet hat, begann am 26. Februar 624 und endete somit Ende März. Und der letzte Ramadan, den er gefastet hat, begann am 1. Dezember 631 und endete somit Ende Dezember 631. Die Durchschnittstemperaturen liegen für diese Monate bei 20° - 25°.
Somit hat er in dieser Zeit längstens 13 1/2 Stunden gefastet, nämlich Ende März, wo das Fasten um 5.01 Uhr beginnt und um 6.36 Uhr endet. Im Dezember hingegen betrug die Fastenzeit durchschnittlich etwa 12 Stunden. Wir können also festhalten, dass der Prophet selbst zu der angenehmsten Zeit im Jahr gefastet hat. Die Temperaturen waren relativ niedrig und die Fastenzeiten relativ kurz.
Es stellt sich die Frage, ob er unter erschwerten Bedingungen (z.B. große Hitze oder große Hitze in Verbindung mit langen Fastenzeiten) Erleichterungen erlassen hätte.Des Weiteren ist anzumerken, dass der Alltag damals nicht mit unserem verglichen werden kann. So war es z.B. üblich, sich während der Mittagshitze hinzulegen und auszuruhen. Selbst der Prophet hat diese Mittagspause eingehalten, auch dann noch, als er in Medina lebte und dort die Aufgaben eines Staatsmannes erfüllte.
Die Reisen, die damals unternommen wurden, waren in der Regel kaufmännischer (Warentransport per Karawane) oder kriegerischer Art. Sie dienten also in erster Linie dem Erhalt der Gemeinschaft. Eine Einschränkung dieser Reisen aufgrund einer fastenbedingten Erschöpfung der Teilnehmer hätte ernste Folgen für alle nach sich ziehen können. Hadithen zufolge soll der Einzelne selbst darüber entscheiden, ob er auf einer Reise fasten will oder nicht.
Ibn Abbas sagte: „Der Prophet reiste einmal im Ramadan. Er fastete, bis er Usfan erreichte. Dann bat er um ein Gefäß mit Wasser und trank tagsüber, sodass ihn die Menschen sehen konnten. So unterließ er das Fasten, bis er Mekka erreichte.“ Ibn Abbas pflegte auch zu sagen: „Der Gesandte Allahs fastete während der Reise und unterließ es. Wer also möchte, der fastet und wer möchte, der lässt es.“
Al-Buchari und Muslim.Anas ibn Malik berichtet: „Wir reisten mit dem Propheten und weder der Fastende bemängelte den nicht Fastenden, noch bemängelte der nicht Fastende den Fastenden.“
Al-Buchari und Muslim.Welche Konsequenzen ergeben sich daraus, wenn man diese Prinzipien auf unsere heutige Zeit anwendet? Wie ist es, wenn das Fasten uns in unserer Arbeit beeinträchtigt? Soll jeder von uns selbst entscheiden, ob das Fasten für ihn akzeptabel oder zu anstrengend ist? Welchen Sinn soll das Fasten erfüllen?