Wie ich das erste Mal gefastet habe

  • von unserem Mitglied Philippa

    „Oh, das gibt’s ja auch noch. Ramadan ist gar nicht mehr lange hin. Fasten. Hmm. Ich habe schon mal was davon gehört, klar, Säule des Islam. Ich will konvertieren, also werde ich das wohl auch machen.

    Hilfe! Den ganzen Tag nichts essen, und das auch noch im Sommer, wo die Tage lang sind. Schaffe ich das überhaupt? Okay, am besten, ich fange jetzt schon mal an zu planen.

    Erster, schwierigster Punkt: Eltern erzählen, dass ich mich für den Islam interessiere. Ich werde das nicht verstecken können. Na gut.“

    Danach habe ich im Forum ganz viele Informationen gesammelt, die Gebets-bzw. Fastenzeiten rausgesucht und so weiter. Hilfreich war dabei der Thread http://www.muslima-aktiv.de/forum/viewt ... 29&t=11937. Auch über die Dekoration habe ich mir Gedanken gemacht und darüber, wie ich die langen Tage am besten überstehe. Kann ich trotzdem Sport machen? Nach und nach kristallisierte sich ein Plan heraus, irgendwann traute ich mich dann auch, meinen Eltern zu erzählen (war nicht so schön).

    Die erste Ramadanwoche lag praktischerweise in den Ferien, also konnte ich das Fasten ohne Schulstress beginnen. Allerdings habe ich vorher schon einen Probetag eingelegt.

    Mein Wecker war gestellt. Ich hatte mir überlegt, mir morgens viel Zeit zu geben, weil ich sonst auch immer viel frühstücke und deshalb auch im Ramadan ca. eine Dreiviertelstunde Zeit dafür einplante. Das passte wirklich recht gut. Ich habe immer viel gegessen, oft einen großen Teller Haferbrei mit Kirschen oder 4-6 Toasts und mich gezwungen, mindestens 3 Gläser zu trinken (inzwischen kann ich innerhalb einer halben Stunde locker einen Liter trinken-Übung macht den Meister). So stand ich also nach dem Morgengebet da und realisierte, dass ich nun sehr viele Stunden nichts essen könne. Das machte mir schon Angst. Würde ich das schaffen? Über den Durst machte ich mir weniger Gedanken, denn ich gehöre zu den Menschen, die kein Problem damit haben, am Tag bis vier Uhr nachmittags nichts zu trinken-ich weiß, nicht gesund. Aber ich bin definitiv ein Vielesser-meine Freunde sagen manchmal, was ich zum Frühstück in der Schule vertilge, reicht ihnen eine halbe Woche lang. Jedenfalls esse ich die ganze Zeit. Und das würde ich im Ramadan nicht machen können.

    Ich kann mich nicht mehr genau an die ersten Fastentage in den Ferien erinnern, jedenfalls habe ich sie alle gut überstanden und viel Koran gelesen. Dann kam die Schule. Am besten, ich beschreibe einen exemplarischen Tag: Circa um viertel nach drei klingelte der Wecker. Gleich am Bett noch einige Schlucke trinken, dann Gebetswaschung, manchmal Tahaschudd, Frühstück mit viel Trinken, dann das Morgengebet und ab ins Bett. Das Fasten hat den Vorteil, dass man vor dem Losfahren morgens wenig Zeit braucht, da keine Pflichgebete mehr da sind und kein Proviant gepackt werden muss. Also länger schlafen und dann ab aufs Fahrrad. Ich bin den ganzen Ramadan über jeweils eine halbe Stunde zur Schule und zurück mit dem Fahrrad gefahren. Morgens ging das recht gut, aber wenn ich nachmittags bis vier Schule hatte, war es schon oft heiß und ich hatte Durst. Vormittags hatte ich keine Konzentrationsprobleme, aber ab 11 wirklich Hunger. Anfangs war ich besorgt, dass ich den Rest des Tages mit Hungergefühl leben müsste, aber das Gefühl verschwindet nachmittags wieder. Komischerweise ist der Durst wirklich schlimmer.

    Meine Freunde haben übrigens den ganzen Ramadan nicht bemerkt, dass ich faste und somit abgesehen von ein paar Tagen während der Periode nie etwas gegessen habe. Als ich es ihnen gesagt habe, waren sie erstaunt, wie sie das übersehen haben können. Naja, sie mischen sich eben nicht ein.

    Nach der Schule habe ich oft auch noch Sport gemacht, zwei Stunden als Trainer und eine als Schüler. Dabei habe ich mich möglichst wenig angestrengt. Es ging, aber mehr auch nicht, definitiv nicht zu empfehlen, wenn man es anders einrichten kann. Ich hatte ja keine Begründung für den Trainer, weil sie ja nicht von meiner Religion weiß.

    Die letzte Zeit abends wurde ich wieder hungrig, habe dann lecker Fasten gebrochen, abends noch Koran gelesen. Mein Fastenbrechen bestand aus etwas Trockenobst/Müsliriegel, dann das Gebet und dann einem Abendessen mit meiner Nichtmuslimischen Familie. Wir essen immer sehr spät, so ca. um neun, zu Abend, weshalb die Rücksichtnahme auf mich nicht so schwer war. Manchmal habe ich auch alleine gegessen, das war dann schon ziemlich traurig. Insgesamt denke ich schon, dass es mit einer Familie, die ebenfalls fastet, deutlich einfacher ist, weil die Atmosphäre eine andere ist.

    Zum Iftar habe ich mir vorher immer eine Suppe gemacht, um Flüssigkeit im Körper zu haben und nicht so in Versuchung zu kommen, das Essen herunterzuschlingen. Danach kam normales Essen, manchmal habe ich auch etwas Besonderes für meine Familie gekocht. Salat habe ich auch immer gegessen, für Nachtisch war ich dann meist schon zu satt.

    Beim Fasten habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Körper mit der Zeit schwächer wird, Reserven werden aufgezehrt, ich habe in einem Monat mehrere Kilos abgenommen und musste an den letzten Tagen mehrere Male das Fasten abbrechen. Ist dann halt so, insbesondere bei warmen Wetter habe ich Kopfschmerzen bekommen. Das ist erstens viel unangenehmer als Durst und Hunger, und zweitens gesundheitsschädlich, weshalb ich bei stärkeren Kopfschmerzen immer meine Notfallreserve, zwei Müsliriegel und etwas Wasser, verzehrt habe.

    Im Laufe des Monats reifte in mir der Entschluss, am Ende zu konvertieren. Das habe ich beim letzten Freitagsgebet auch gemacht und ich denke, es war ein guter Entschluss, zumindest habe ich ihn bisher nicht bereut *g*. So bin ich optimistisch und freue mich auf mein zweites Fasten im Ramadan.

    Das war jetzt die rein technische Beschreibung des Monats, es gab auch viele spirituelle Dinge, aber die kann ich leider nicht so gut in Worte fassen.